Herr Fritsche, der Jugendbericht 2019 wurde vom Amt für evangelische Jugendarbeit erstellt. Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht, als Sie kürzlich Landesjugendpfarrer geworden sind?

Tobias Fritsche: Ich stehe zu 100 Prozent hinter dem Bericht und finde es sehr wichtig, dass er die akuten Herausforderungen für Jugendarbeit klar benennt.

Wie stehen die Chancen dafür, dass Kirche junge Menschen auch weiterhin erreicht?

Fritsche: Insgesamt haben wir eine recht gute Ausgangssituation und Offenheit junger Menschen für kirchliche Themen. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Jugendliche durchaus eine Affinität zu Glaubensthemen haben. Laut der Shell-Jugendstudie sind es immerhin 50 Prozent, die an einen persönlichen Gott oder eine überirdische Macht glauben. Außerdem herrschen eine grundsätzliche Sehnsucht nach einem Aufgehoben- und Akzeptiertsein – und die Bereitschaft, sich dabei mit dem eigenen Glauben auseinanderzusetzen.

Welche Schwierigkeiten stehen dem entgegen?

Fritsche: Zwar sagen mehr als 60 Prozent der jungen Menschen es sei gut, dass es die Kirche gibt, aber etwa genauso viele finden, Kirche müsse sich verändern, damit sie eine Zukunft hat. Auf diesem ambivalenten Verhältnis baut der Jugendbericht auf.

Der Jugendbericht hält fest, dass es zentrale Aufgabe der Kirche ist, den christlichen Glauben an die nächste Generation weiterzugeben. Was bedeutet das für die Arbeit in den Gemeinden?

Fritsche: Bisher wurde Jugendarbeit als Zielgruppenarbeit gesehen und hauptsächlich an Jugendarbeiter delegiert. Im Hinblick auf die entscheidende Bedeutung der Jugendarbeit und den Personalmangel in der Kirche muss sie jedoch als ganzes Arbeitsfeld begriffen werden. Pfarrerinnen und Pfarrer, Kirchenmusikerinnen und -musiker, Ehrenamtliche, Religionspädagoginnen und -pädagogen, sie alle müssen Jugendarbeit und damit die "Weitergabe des Glaubens an junge Menschen" zu ihrer Sache machen.

Und was muss inhaltlich passieren?

Fritsche: Jugendarbeit in Bayern wurde nach dem Krieg als eine vielfältig gestaltete Verbandsarbeit wiederaufgebaut. Dazu gehören die Gemeindejugendarbeit, der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM), der Jugendverband Entschieden für Christus (EC), die Evangelische Landjugend (ELJ), der Verband Christlicher Pfadfinder (VCP) oder die Evangelische Jugendsozialarbeit Bayern (EJSA). Alle leben unter dem Dach der Evangelischen Jugend in Bayern ihre unterschiedlichen Profile – fromm und politisch. Diese Vielfalt ist nun eine große Chance, um verschiedenen Prägungen von Jugendarbeit zu begegnen. Für die nächste Generation verschwinden konfessionelle Grenzen immer mehr. Jugendliche suchen sich ihren passenden Ansatz. Darin müssen wir sie unterstützen und das können wir aus dem Reichtum evangelischer Jugendarbeit heraus, indem wir unsere vielen Profile erhalten, aber auch noch enger zusammenarbeiten.

Das klingt stark nach dem, was der Reformprozess der bayerischen Landeskirche "Profil und Konzentration" (PuK) anstrebt.

Fritsche: Durchaus. Wir müssen gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus Kirchen, Verbänden und Kommunen daran arbeiten, dass christlicher Glaube für Jugendliche relevant wird und bleibt. Das bedeutet, an allen Ecken und Enden Grenzen zu überwinden und unsere Wahrnehmung zu schärfen. Durch das gemeinsame miteinander Unterwegssein wird letztlich auch der Einzelne entlastet. Wichtig wird dabei sein, dass in alledem junge Menschen Hauptakteure sind.

Was sollen Gemeinden in der Jugendarbeit tun?

Fritsche: Der erste Schritt liegt immer darin wahrzunehmen, wie viele Kinder und Jugendliche es in der Region gibt und wo sie sich aufhalten. Wir müssen uns davon verabschieden, dass es in jeder Gemeinde gleichermaßen Angebote für Kinder und Jugendliche geben kann. Hier gibt es schon sehr viele und gute Kooperationsformen. Alles gut aufeinander abzustimmen und als Ganzes wahrzunehmen wird wichtig sein – besonders für die Dekanatsjugendwerke. Sie müssen die Angebotsbreite in der Fläche im Blick haben und zwischen den Akteuren vermitteln. Natürlich arbeiten auch wir im Amt für Jugendarbeit und im Amt für Gemeindedienst daran, Beratungen für Kirchengemeinden anzubieten.

Was passiert auf der Landessynode in Lindau, wenn Sie Ihren Bericht vorgestellt haben?

Fritsche: Es wird einen Antrag geben, dass die Weitergabe des christlichen Glaubens an die nächste Generation eine Schwerpunktaufgabe von Kirche im Rahmen des PuK-Prozesses sein soll. Spannend wird es, wenn wir über die Ressourcen dafür sprechen, auch wenn es nicht um Geld allein geht. Vor allem ist die Bereitschaft vor Ort wichtig, darüber nachzudenken, wie ein Konzept gelingender Kinder- und Jugendarbeit mit allen Playern aussehen kann. Ich würde mir wünschen, dass die Lust wächst, diesem Schwerpunkt deutliche Sichtbarkeit zu verleihen. Das wäre doch grandios, wenn das Amt für Jugendarbeit in vier Jahren davon berichten könnte, wie gut Kräfte gebündelt wurden und dass dadurch viele junge Menschen ihren Platz in der Kirche finden.