Im Gegensatz zu dem ausgelassenen Trubel auf dem Münchner Christkindelsmarkt war der Dom in unmittelbarer Nähe am Samstag ein Ort ernster Einkehr. Denn bei einem Trauergottesdienst erinnerten die beiden großen Kirchen an die vielen Flüchtlinge, die im Mittelmehr ertrunken sind, und nahmen die Politik in die Pflicht.

Bereits im Vorfeld hatten der katholische Kardinal Reinhard Marx und der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm in einer Videobotschaft die Europäische Union in die Pflicht genommen:

"Jedes Jahr ertrinken Tausende Menschen im Mittelmeer. Das ist ein Skandal, das dürfen wir nicht hinnehmen", sagte Bischof Marx. "Das ist eigentlich eine staatliche Aufgabe, dass wir eine Grenze haben, an der Menschen nicht umkommen. Ein Staat muss dafür sorgen können. Das tut Europa nicht."

Landesbischof Bedford-Strohm sagte: "Wir wollen für die Menschen beten, die schon gestorben sind. Wir wollen für die Menschen beten, die jetzt in Lebensgefahr sind. Und wir wollen für uns selbst beten, dass Gott uns ein weites Herz schenken möge. Dass wir uns dafür einsetzen, dass das Sterben auf dem Mittelmeer endlich ein Ende hat."

Vor der Kirche hatten sich die zivilen Seenotrettungsorganisationen zu einer Mahnwache postiert: Vor einem Flüchtlings-Schlauchboot hielt eine Menschenkette ein schwarzes Band, auf dem die Namen der auf der Flucht ertrunkenen Menschen aufgeführt waren. "36.570 tote Flüchtlinge, es werden täglich mehr", stand auf dem Banner über der Aktion.

In dem bis auf den letzten Platz besetzten Dom bekräftigen Landesbischof Bedford-Strohm und Kardinal Marx in einem engen ökumenischen Schulterschluss die Bereitschaft ihrer Kirchen, in ihrem Einsatz für Flüchtlinge nicht nachzulassen. Denn diese Hilfe sei geradezu ein "humanitäre Verpflichtung", sagte Bischof Bedford-Strohm, der auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist.

Die Flüchtlinge würden durch Verzweiflung auf die lebensgefährlichen Boote getrieben, weil sei Gewalt und Hunger erlebt hätten, Willkür und Missbrauch ausgesetzt gewesen seien und in ihren Heimatländern keine Perspektive hätten.

Der Bischof dankte ausdrücklich den Menschen, die sich in der Seenotrettung und Unterstützung von Flüchtlingen engagieren. Ohne große Worte oder steile Bekenntnisformeln retteten sie Flüchtlinge auf den Booten im Mittelmeer oder stünden diesen Menschen in den Asylunterkünften zur Seite, sagte Bedford-Strohm. Damit stünden diese Helfer und Unterstützer von Flüchtlingen durch ihre tätige Nächstenliebe in der Nachfolge Jesu Christi. "Sie haben genau darin Christus die Ehre gegeben, dass sie den geringsten seiner Schwestern und Brüder gedient haben", sagte Bedford-Strohm.

Wie Kardinal Marx in seiner Predigt betonte, sei es die Pflicht der Christen, der Politik deutlich zu machen, wie die Realität aussieht, wo "gestorben und gelitten wird". Es sei ein Skandal, dass an der Außengrenze Europas Menschen zu Tode kommen. Unter dem Beifall der Gottesdienstbesucher mahnte der Kardinal bei der Politik als Prinzipien an, dass niemand an den Grenzen sterben dürfe, dass Flüchtlinge menschenwürdig behandelt werden und jeder ein faires Verfahren bekommt und dass niemand in ein Land zurückgeschickt werden darf, in dem Tod, Unglück oder Vergewaltigung drohe. Dies seien Prüfsteine für eine Gesellschaft, die sich nach christlichen Werten ausrichte.

Vor dem Trauergottesdienst, an dem auch der muslimische Imam Benjamin Idriz und der griechisch-orthodoxe Bischof Vasilios von Aristi mitwirkten, verlasen Flüchtlinge eine Stunde lang die Namen und das Alter von Menschen, die im Mittelmeer ertrunken sind - vor allem junge Männer, aber auch viele Frauen und Kinder.