Viele haben dreieinhalb Stunden in der sengenden Sommerhitze Schlange an den Metalldetektoren gestanden, als es plötzlich heißt, niemand dürfe mehr auf den Petersplatz. In wütenden Buh-Rufen macht sich die Enttäuschung bei den Kindern und Jugendlichen Luft. »Die haben wohl in der siebten in Mathe geschlafen, das kann man doch vorher ausrechnen, wie lange das dauert, 60.000 Leute zu kontrollieren«, ereifert sich der Begleiter einer Jugendgruppe aus Bayern. Bei der letzten Internationalen Ministrantenwallfahrt vor vier Jahren sei er innerhalb einer halben Stunde zur Papstaudienz auf den Petersplatz gekommen, und jetzt das, poltert er. »Der Platz ist voll«, sagt eine Jugendliche aus seiner Gruppe, deshalb würden die Zugänge geschlossen.

Doch wenige Minuten später öffnen sich am Dienstagabend die Zugänge unter den Kolonnaden wieder, alles rennt auf sie zu, um doch noch auf den Platz zu gelangen. Neben einem der riesigen Brunnen steigt ein Wasserstrahl in die Abendsonne, der den umstehenden Jugendlichen Kühlung verschafft.

 

Papst Franziskus im Papamobil auf dem Petersplatz während seiner Audienz für Zehntausende Ministrantinnen und Ministranten aus Deutschland und Europa am 31. Juli 2018.
Papst Franziskus im Papamobil auf dem Petersplatz während seiner Audienz für Zehntausende Ministrantinnen und Ministranten aus Deutschland und Europa am 31. Juli 2018.

 

»Ministrieren ist voll cool. Ich steh' dazu.««

Aus Sicht der Organisatoren soll die Ministrantenwallfahrt die religiöse Identität der jungen Menschen stärken. Die Jugendlichen aus 19 Ländern, allein 50.000 aus Deutschland, möchten vor allem eine tolle Zeit in Rom verbringen. »Ich wollte mit meiner Gruppe eine schöne Reise machen«, sagt eine 14-Jährige aus Bayern. »Damit man neue Menschen aus andern Ländern trifft«, fügt ihre 15-jährige Freundin als Grund hinzu. Der 13-jährige Vitus vom Starnberger See begründet seine Entscheidung für die Massenwallfahrt einfach mit dem Wunsch nach »schönen Erlebnissen«.

In einer Gruppe Jugendlicher, die im Schutz der Kolonnaden auf das Menschenmeer und die in der Entfernung winzig wirkenden Großleinwände schaut, sticht ein 18-jähriger in einem Trikot mit dem Namen des kroatischen Juventus-Stürmers Mario Mandzukic unter dem bayerischen Motto »Mia san mia« hervor. »Ministrieren ist voll cool«, erklärt er unter seinem umgekehrt aufgesetzten Baseball-Cap. »Ich steh' dazu.«

Als Papst Franziskus erscheint, bricht lauter Jubel los, dann ein kurzer Moment des Innehaltens. Als er beginnt zu sprechen, sind viele Jugendliche schon wieder untereinander beschäftigt, denn er ist auf weiten Teilen des Platzes kaum zu verstehen. »Das Streben nach Frieden beginnt mit den kleinen Dingen«, mahnt er. »Verschließe ich mich nach einem Streit unter Geschwistern in mich selbst und spiele den Beleidigten, oder versuche ich, einen Schritt auf den andern zuzumachen?« Wenn sie sich in jeder Situation fragten, was Jesus an ihrer Stelle tun würde, würden sie zu Friedensstiftern und Heiligen, die die Welt verändern könnten», ruft Franziskus ihnen zu.

 

Interview mit dem evangelischen Liedermacher: Johannes Matthias Roth spricht vor 4000 »Minis« aus Österreich.
Interview mit dem evangelischen Liedermacher am Abend nach der Papstaudienz: Johannes Matthias Roth spricht vor 4000 »Minis« aus Österreich.

 

Gemeinsamkeit in der römischen Hitze

Die Jugendlichen genießen nach der Hitze des Tages einfach das Gefühl der Gemeinsamkeit mit so vielen anderen. Dass sie den Papst nicht sehen und kaum hören, stört sie dabei kaum.

Jeder müsse sich täglich fragen, was er für seinen nächsten tun könne, sagt Franziskus zu den Jugendlichen, denen gegenüber er nicht als Mahner auftritt, sondern denen er Mut machen will. «Was kann ich tun, um den Bedürfnissen meines Nächsten entgegenzukommen? Egal, ob er ein Freund oder ein Unbekannter, Landsmann oder Fremder ist.»

Die Audienz werde natürlich im Internet live übertragen, sagt die 14-jährige Helena: «Aber es ist halt etwas ganz anderes, selbst dabei zu sein.«

Der musikalische Schlusspunkt der Audienz mit Gebeten, Fürbitten und viel Musik kommt dann - jedenfalls »kompositorisch« - aus dem evangelischen Franken: Während der Papst am Ende nicht Ministrantinnen und Ministranten, sondern den mitgereisten Bischöfen und anderen kirchlichen Würdenträgern die Hände schüttelt, erklingt noch einmal der Mottosong der Mini-Wallfahrt: »Suche Frieden«. Geschrieben hat das Lied der evangelische Pfarrer und Liedermacher Johannes Matthias Roth aus Nürnberg. Der Protestant steht auch selbst auf dem Petersplatz: In der Wallfahrts-Band »Peace Seekers« (Friedenssucher) darf er die Gitarre spielen.

 

Der Mottosong der Ministrantenwallfahrt 2018 »Suche Frieden« von Johannes Matthias Roth ist zu hören ganz zu Beginn der Audienz und noch einmal am Ende (ab 1:35:50). Der evangelische Pfarrer und Liedermacher Johannes M. Roth ist bei 46:30 an der Gitarre zu sehen (https://youtu.be/HWgIQLaM4us?t=2790).
Die Gruppe »Peace Seekers« auf dem Petersplatz während der Papstaudienz für Zehntausende Ministrantinnen und Ministranten aus Deutschland und Europa am 31. Juli 2018.
Die Gruppe »Peace Seekers« auf dem Petersplatz während der Papstaudienz für Zehntausende Ministrantinnen und Ministranten aus Deutschland und Europa am 31. Juli 2018.