Tatjana Schnütgen rückt in ihrem Wohnzimmer die Möbel beiseite und entzündet eine Kerze. Sie hat sich bequeme Kleidung angezogen und stimmt sich so auf ihren Tanzworkshop ein.

Normalerweise würde sich die Fachbereichsleiterin für Theologie, Religionen und Spiritualität des Regensburger Evangelischen Bildungswerks (EBW) mit anderen treffen, um gemeinsam zu tanzen. Doch Corona hat alles verändert.

"Tanz hat viel mit Berührung zu tun und mit Kontakt zueinander", sagt sie. "Doch von Seminaren, bei denen man sich gegenseitig anfassen darf, sind wir weit entfernt."

Daher hat sie nun online Tanzworkshops geplant.

Ein internetfähiges Gerät wird zum wichtigsten Partner. "Es ist anders, als wenn man sich persönlich trifft, aber es hat seinen eigenen Reiz", sagt sie. "Man ist viel stärker auf sich selbst konzentriert."

Seit 2017 ist die Pfarrerin im Fachbereich für evangelische Theologie im EBW tätig. Von Anfang an hat sie ihre persönliche Leidenschaft für Tanz und Spiritualität auch in ihrer Arbeit integriert. Thematisch ist sie Fachfrau, denn "Tanz zwischen Ästhetik und Spiritualität" ist der Titel ihrer Promotion.

Schon als Kind habe sie sich für Tanz begeistert.

Mit seiner spirituellen Ausdrucksform kam sie im afrikanischen Kongo in Berührung, wo die Pfarrerin sechs Jahre tätig war. "Dort sind die Gottesdienste sehr lebendig, die ganze Gemeinde bewegt sich", erinnert sich Schnütgen.

Zurück in Deutschland hat sie sich auf die Suche gemacht, wie Tanz bei uns Gottesdienste und den Glauben bereichern kann. Als Vorsitzende des Vereins der Christlichen Arbeitsgemeinschaft Tanz leistet Schnütgen heute einen Beitrag, um das Anliegen bekannter zu machen.

In der Gemeinde St. Johannes in Regensburg organisierte sie schon zwei getanzte Gottesdienste. Der dritte musste dann wegen der Corona-Pandemie ausfallen, die Reihe soll aber fortgesetzt werden.

Die Bandbreite der Angebote des EBW ist groß.

Es gibt meditative Tänze, kreative Ausdruckstänze und Tänze, bei denen biblische und religiöse Aussagen im Zentrum stehen und quasi Tanz zum Gebet wird. "Real waren die Workshops immer sehr gefragt und schnell ausgebucht", sagt Schnütgen. Manche Teilnehmer seien mehrere hundert Kilometer gereist, um dabei zu sein.

Als die Corona-Beschränkungen kamen, wurde Schnütgen in ein neues Fahrwasser geworfen. "Wir mussten uns online aufstellen." Zunächst war sie unsicher, ob Tanz sich ins Internet verlegen lassen würde. "Im Tanz geht es sehr stark um körperliche und geistige Präsenz. Wenn man real gemeinsam tanzt, hat man sich gegenseitig im Blick", erklärt sie. "Man berührt sich immer wieder."

Online sei das anders. Man wisse zwar, dass die anderen da seien und man sei durch die gleichen Tanzschritte verbunden, aber die Präsenz der anderen bleibt ein vages Gefühl oder ein Gedanke. Einen Vorteil gebe es darin: Allein sei man weniger abgelenkt.

"Spiritueller Tanz ist ein wertvolles Mittel, um Gefühle auszudrücken und sich selbst zur Ruhe zu bringen", erklärt die Pfarrerin.

Es geht um "runter kommen", bei sich sein und stark im gegenwärtigen Augenblick leben. "Man tut sich beim Tanzen etwas Gutes und erlebt sich selber als lebendig." Das sei auch online möglich und zum Teil sogar durch die erhöhte Konzentration intensiver als beim Tanzen in der Gruppe, erklärt sie die Vorteile des Online-Angebots.

Ein Schnupperseminar wurde gut angenommen.

Acht Leute trafen sich im virtuellen Raum, um gemeinsam zu tanzen. Aktuell läuft ein Tanzdialog mit der Tanzpädagogin Barbara Schulte-Büttner, bei dem griechische und Roma-Tänze im Mittelpunkt stehen. "Es sind überlieferte Tanzschritte, die relativ einfach zu lernen sind", erklärt Schnütgen.

Reale Tanzworkshops plant das EBW frühestens wieder im Herbst. Für Schnütgen ist es denkbar, dass das EBW Tanzangebote künftig regelmäßig online vorhält. "Gerade der freie Ausdruckstanz ist dafür gut geeignet", sagt sie. Von Vorteil sei, dass Menschen aus ganz unterschiedlichen Regionen das Angebot nutzen und dabei sein können.