Mit Schablone und Farbstempel bedruckt ein japanisches Pärchen zwei Stofftaschen mit Luther-Konterfei im Che-Guevara-Stil, bei der Fahrradwerkstatt R18 lassen vorbeiradelnde Münchner ihre Drahtesel checken, und am Stand der Diakonie Hasenbergl nagelt Gisela Schäfer gerade mit kräftigen Hammerschlägen ihre Quizfrage an die Holztür von "Luthers Nagelstudio".

Reformationsfest in München lockt viele Menschen an

Die Protestantin hat sonst mit Kirche wenig Kontakt, doch heute hat sie sich von Bekannten auf den Odeonsplatz locken lassen, wo das evangelisch-lutherische Dekanat am Donnerstagabend sein zentrales Reformationsfest veranstaltet. "Wenn die Protestanten mitten in der Stadt feiern, wollte ich dabei sein", sagt Gisela Schäfer.

Feldherrnhalle wird zentraler Ort für Reformationsfest

Bei Sonnenschein startete die Fete am Fuße der Feldherrnhalle. Stadtdekanin Barbara Kittelberger begrüßte viele hundert Besucher aus den Münchner evangelischen Gemeinden, die sich mit Passanten und Touristen zwischen den aus Euro-Paletten aufgebauten Mitmach-Ständen tummelten. Bei der Offenen Behindertenarbeit konnte man mittels Alterungsanzug das Leben mit Handicap testen, die Asylhelfer der Inneren Mission philosophierten mit Besuchern über den Begriff "Heimat", am Wunschbaum konnten Passanten ihre Wünsche mit einem echten Wachssiegel bekräftigen, die evangelische Jugendhilfe Feldkirchen sorgte für die Verpflegung.

Kittelberger: Fest zeigt Zusammenhalt der Münchner Protestanten

Als explizit evangelische Veranstaltung wolle das Luther-Fest den inneren Zusammenhalt der Münchner Protestanten zeigen und in die Stadtgesellschaft ausstrahlen, sagte Stadtdekanin Kittelberger. Sie sei stolz darauf, dass die Evangelischen in der Stadt eine so "gute, schlagkräftige Truppe" seien.

Als Festrednerin packte Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler diesmal ihre Botschaft aus Sicht von Katharina Luther in Versform: das Engagement für die sozial Schwachen im reichen München, das Werben um die spirituell Suchenden und Offenheit für andere Religionen waren ihre Themen.

 

Reformationsfest in München

Christian Ude und Peter Gauweiler über Protestanten

Nur die Stadtspitze blieb stumm bei der großen Münchner Reformationsfeier: Bürgermeister Josef Schmid, ohnehin schon als Vertreter für OB Dieter Reiter angekündigt, verlor am Donnerstagmorgen seine Stimme und sagte ab. Dafür lieferte sich Alt-OB Christian Ude einen gut gelaunten Schlagabtausch mit Peter Gauweiler über das protestantische Salz in der gesellschaftlichen Suppe und lobte den Stand der Ökumene in der Landeshauptstadt.

"Ökumene ist hier weiter als anderswo, vor allem an der Basis", sagte Ude. Das gute Zusammenleben mit der jüdischen Gemeinde und die Zusammenarbeit mit den Muslimen zeigten, dass Religiosität "Toleranz und Verständigung auch fördern kann, nicht nur zerstören".

Regenböen treiben Besucher in Cafés

Nach 90 Minuten allerdings trieben dunkle Wolken und kräftige Regenböen die weniger standhaften Besucher in die umliegenden Cafés oder gleich in die U-Bahn. So wurde das restliche Programm und das Konzert von Rocksängerin Judy Baily zum Highlight für einen kleinen Kreis hartgesottener Partygäste. Baily nahm´s mit Humor: Schon im letzten Jahr hatte es ihren Auftritt beim Kirchentag im Münchner Norden verregnet. "Ich komme ein drittes Mal, damit das nicht zur Regel wird", versprach die Sängerin.