Begründet wird der plötzliche Schritt mit dem 2017 in Kraft getretenen "Direktorium für ökumenische Gottesdienste" des Erzbistums München-Freising, nach dem ökumenische Sonntagsgottesdienste "nur im Ausnahmefall" stattfinden und Eucharistiefeiern nicht ersetzen dürften. Die Gemeinden in Putzbrunn hingegen berufen sich auf mündliche Vereinbarungen mit dem Ordinariat.

Christoph Nobs, damaliger katholischer Ortspfarrer, berichtet von Gesprächen mit dem damaligen Weihbischof Engelbert Siebler und einem Gemeindeberatungsteam im Vorfeld der Gründung des Pfarrverbands Vier Brunnen zum 1. Januar 2012. Bei der neuen Struktur sei nach langen Überlegungen Ottobrunn als Hauptsitz gewählt worden, unter anderem um dadurch "dem Ökumenischen Zentrum Putzbrunn mehr Freiraum für ökumenische Sonntagsgottesdienste zu verschaffen", sagt Nobs.

"Nach Errichtung des Pfarrverbands mit den neuen Möglichkeiten haben Pfarrerin Hopfmüller und ich begonnen, viel regelmäßiger als bisher ökumenische Sonntagsgottesdienste in Putzbrunn zu planen, und diese auch durchgeführt", sagt Nobs. Eine schriftliche Genehmigung habe es nicht gegeben – aber auch nicht gebraucht. "Wir sind davon ausgegangen, dass das gesprochene Wort gilt." Reklamationen von höherer Stelle seien nicht erfolgt.

Keine ökumenischen Gottesdienste in Putzbrunn seit Oktober

Auch Sebastian Degkwitz, evangelischer Pfarrer der Jubilatekirche Waldperlach, zu der Putzbrunn gehört, legt Wert darauf, dass die Gottesdienste genehmigt waren. Ihn ärgert, dass nun versucht werde, diese Glaubenspraxis "als entgleiste, unordentliche Entwicklung hinzustellen, die man geraderücken muss".

Zeitpunkt und Stil der Anordnung hält er für "empörend": Kurz vor der Festwoche zum 25. Jubiläum des Zentrums habe der katholische Ortsgeistliche Stefan Scheifele ihm die Entscheidung, wohl im Auftrag des Bischofsvikars Rupert Graf zu Stolberg, mitteilen lassen. Schon in der Gottesdienstordnung für Oktober, die im Internet einsehbar ist, wurde der ökumenische Gottesdienst durch eine Eucharistiefeier ersetzt. Der Gemeinde sollte die Entscheidung erst später mitgeteilt werden.

Ökumenische Gottesdienste gibt es seit sieben Jahren

"So eine Heuchelei mache ich als Protestant nicht mit", sagte der evangelische Dekan Mathis Steinbauer dem Sonntagsblatt. Deshalb habe er die Gemeinde in seiner Festpredigt über die Entscheidung informiert. Für Steinbauer ist schleierhaft, warum die Anordnung zum jetzigen Zeitpunkt kommt. "Die monatlichen Gottesdienste gibt es seit sieben Jahren, sie waren immer veröffentlicht, es gab keinerlei Vorkommnisse", zählt der Dekan auf.

Um den katholischen Christen in Putzbrunn die Erfüllung ihrer "Sonntagspflicht", also die Feier der Eucharistie, nicht nur in der Nachbarpfarrei St. Magdalena, sondern auch in St. Stefan an jedem Sonntag im Monat zu ermöglichen, hätte man dem ökumenischen Gottesdienst eine Messfeier um 9 Uhr vorschalten können, meint der Dekan. Stattdessen schafften die Verantwortlichen im Ordinariat ein zentrales Element der ökumenischen Praxis in Putzbrunn ab: Neben dem sehr gut besuchten Erwachsenengottesdienst die zeitgleich stattfindende Kinderkirche, zu der oft über 60 Kinder gekommen seien. "Das ist ein schmerzlicher Rückschritt, das verstehen die Menschen nicht mehr", so Steinbauer.

Direktorium: Ökumene liberalisieren oder verschärfen?

Pfarrverbandsleiter Stefan Scheifele teilte auf Anfrage mit, dass es für ihn keine Alternative zur Ökumene gebe. Geklärt werden müsse jedoch "ein modus vivendi, der beide Seiten in ihrer jeweiligen Beheimatung leben lässt", sagte Scheifele und verwies auf die Regeln des Direktoriums. Die Pressestelle des Erzbistums wiederum teilte mit, dass dem aktuell zuständigen Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg die Putzbrunner Praxis "bislang nicht bekannt" gewesen sei.

Stolberg ist seit 2013 im Amt, zuständig für die Seelsorgsregion München und gemeinsam mit der evangelischen Stadtdekanin Barbara Kittelberger Geschäftsführer im Münchner "Rat der Religionen". Das Direktorium wiederum ist vom Ordinariat eigentlich als Weiterentwicklung früherer Vorschriften zu ökumenischen Sonntagen gedacht. Die Intention sei gewesen, "die Anwendung der geltenden Regelungen der Deutschen Bischofskonferenz von 1994 so weiter zu entwickeln", dass sie "auf dem Hintergrund einer veränderten gesellschaftlichen Situation (...) diesen Herausforderungen besser gerecht wird", schreibt Generalvikar Peter Beer im Vorwort der Broschüre.

Aus für ökumenischen Alltag in Putzbrunn?

Die Leidtragenden sind derweil die Christen in Putzbrunn. Der Ökumene-Sonntag war bei Lutheranern wie Katholiken beliebt. Die frühere Ortspfarrerin Barbara Hopfmüller, seit September 2018 in Karlsfeld tätig, sagte dem Sonntagsblatt: "Der ökumenische Gottesdienst war denen, die kamen, sehr wichtig. Und zwar nicht als Zusatzveranstaltung irgendwann am Abend oder unter der Woche und nur für ein paar Ökumene-Fans, sondern im Alltag des religiösen Lebens, sprich: am Sonntagvormittag."

Ihr Kollege Degkwitz sieht es genauso: "Der ökumenische Gottesdienst ist so etabliert und geschätzt, dass man ihn sich nicht wegnehmen lassen will." Über alternative Konzepte denke die Gemeindebasis in Putzbrunn derzeit jedenfalls nicht nach.