Als am 1. April die neue Kooperation der beiden Innenstadtgemeinden St. Sebald und St. Egidien mit den geteilten Pfarrstellen startete, blieb für Seegets eigentlich alles beim Alten. Nach wie vor ist sie mit einer halben Stelle an der ältesten Pfarrkirche Nürnbergs angestellt, mit der anderen Hälfte unterrichtet sie an der Fachoberschule Schüler ab der 12. Klasse bis zum Abitur. St. Sebald zählt gemeinsam mit Lorenz- und Frauenkirche zu den beliebtesten solcher Touristenziele in Nürnberg.

Rund 300.000 Menschen besuchen jährlich auf eigene Faust die letzte Ruhestätte des Nürnberger Schutzpatrons, des heiligen Sebald, der hier in einem nach Plänen von Peter Vischer zwischen 1508 und 1519 durch dessen Söhne angefertigten Grabmal liegt. Wirklich? "Das letzte Mal wurde der Sarg vor rund zehn Jahren geöffnet. Es liegen tatsächlich Knochen drin", erklärt Seegets. Ob die Gebeine des der Sage nach im 8. Jahrhundert als Einsiedler im damals urtümlichen Nürnberg lebenden Heiligen, als der er seit Ende des 11. Jahrhunderts von der katholischen Kirche verehrt wird, tatsächlich die des Sebaldus sind, kann natürlich niemand genau sagen. "Ich beende meine Führungen häufig am Sebaldusgrab. Da fragt dann oft jemand, ob wir Evangelischen eigentlich an die Hölle oder ans Fegefeuer glauben. Oder ob man einander nach dem Tod wiedersieht", erklärt die Pfarrerin.

Katholisches oder evangelisches Gotteshaus?

Rund 700 Gruppen kommen jedes Jahr zu Führungen in die Sebalduskirche. Petra Seegets oder einer der rund 40 Gästeführer, für deren Ausbildung alle zwei Jahre Kurse angeboten werden, erläutern den Interessierten dabei die wichtigsten Fragen über die Kirche. Der Klassiker: "Ist das ein katholisches oder ein evangelisches Haus?" – "Diese Frage hören wir in 98 Prozent der Fälle", erklärt Seegets. Neben den vielen deutschsprachigen Touristen kommen vor allem aus Italien, Spanien, China und Russland Gäste nach St. Sebald – Tendenz steigend. Warum das so ist? "Ich denke, die Menschen sehnen sich nach solchen ehrwürdigen Rückzugsorten und sind neugierig auf die vielen Geschichten, die es hier zu erzählen gibt", versucht Seegets sich an einer Erklärung.

Gäste- und Tourismusarbeit – das bedeutet auch Seelsorge. Das seien vor allem Gespräche, die sich während und nach Führungen ergeben, sagt Petra Seegets. "Gäste, die St. Sebald besuchen, waren oft seit Jahrzehnten in keiner Kirche und haben manchmal das Bedürfnis, zu erzählen, weshalb das so ist", sagt sie. Da komme manchmal tiefer Frust über die  Kirche zum Ausdruck.

Frust über Kirche entlädt sich

Außerdem seien die Besucher immer wieder erstaunt über die vielen anderen Kunstwerke, die noch in der Kirche zu finden sind – auch wenn etwa ein Drittel der noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts hier vorhandenen Figuren und Gemälde während des Zweiten Weltkriegs in den Kunstbunkern der Stadt Nürnberg eingelagert wurden und heute im Germanischen Nationalmuseum aufbewahrt werden. "Ich denke, dass die Kunstwerke dabei helfen, den Mut zur Frage und zum Gespräch zu finden", meint Seegets. Auch dass man der Pfarrerin beim Gespräch nicht allein gegenübersitze, sondern das Kunstwerk fast schon wie eine dritte anwesende Person wirkt, helfe manchen, Sorgen, Angst oder auch Zorn herauszulassen.

Jedes Mal freue sie sich, wenn sie von Gästen aus Nürnberg und Umgebung am Schluss einer Kirchenführung Sätze höre wie "Als Nürnberger dachte ich immer, die Sebalduskirche gut zu kennen, aber ich hätte nie geglaubt, dass hier so viel Interessantes drinnensteckt". Besucher, die einen weiteren Weg nach Nürnberg haben, sagen zuweilen: "Wenn ich meinen Freunden zu Hause erzähle, was ich in St. Sebald erfahren habe, werden sie nicht glauben, was ich jetzt alles weiß."

Nun aber zum Schluss noch mal Hand aufs Herz: Weiß Petra Seegets auch wirklich alles über die Sebalduskirche? "Ich hoffe nicht", sagt sie. "Gerne lasse ich mich bei jedem Besuch aufs Neue überraschen, was ich dieses Mal neu hier entdecke." Und Entdeckungen seien die Themen der Besucher, die hier über Dinge sprechen, die oft seit Jahren in ihnen arbeiten.