Aktiv war und ist sie immer: Noch im vorletzten Monat ihrer Amtszeit als Regionalbischöfin, die im November 2019 endete, verlieh sie den Kunstpreis der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, predigte den Gefangenen in der JVA Stadelheim und den Studenten in Freising, traf bayerische Abgeordnete in Berlin, gedachte des NS-Verfolgten Friedrich von Praun und stärkte der Münchner jüdischen Gemeinde nach dem Anschlag von Halle den Rücken. Und statt Abschiedsgeschenken wünschte sich Susanne Breit-Keßler Spenden für ihre Evangelische Stiftung Hospiz und für die Arbeit des Frauenhauses Karla 51.

Die Omnipräsenz in vielen Bereichen der Gesellschaft hatte ihren Preis: "Man ist als Person sehr sichtbar, daran musste ich mich erst gewöhnen", sagte die Regionalbischöfin 2019 im Gespräch mit dem Sonntagsblatt.

Egal, ob im Restaurant oder beim Einkaufen: Susanne Breit-Keßler ist eine evangelische Marke, die in München überall erkannt wird.

Von Beginn ihrer Amtszeit an hatte sich die Theologin mit Selbst- und auch Machtbewusstsein vernetzt, Kontakte zu Politikern, Kulturschaffenden, Stiftungen und Medien geknüpft und wenig Einladungen abgelehnt. Dass Kirche sich "mit Substanz" in der Öffentlichkeit zeigt, war Breit-Keßler, die seit 1984 journalistisch tätig war und von 1994 bis 2001 die Presseabteilung der Landeskirche modernisiert und ausgebaut hat, stets ein Anliegen.

Als uneheliches Kind geboren

Dass aus ihr einmal die Ständige Vertreterin eines Landesbischofs werden sollte, wurde ihr nicht in die Wiege gelegt. 1954 im württembergischen Heidenheim als uneheliches Kind geboren, machte sie mit Kirche eher schlechte Erfahrungen. Die erste Frau des Vaters wollte ihm bei seiner Flucht von Jena nach Westdeutschland nicht folgen, der Scheidungsprozess war mühsam und langwierig. Lange konnten Breit-Keßlers Eltern Erich und Hella deshalb nicht heiraten.

"Und der Pfarrer hatte meine Taufe abgelehnt, weil ich ein Kind der Sünde war, wie er meinte bemerken zu müssen", erinnert sich die 65-Jährige.

Als die Familie längst im oberbayerischen Oberaudorf lebte, wurde der schließlich möglich gewordenen Trauung der Eltern von Seiten der Landeskirche Steine in den Weg gelegt. "Ich habe Kirche in meiner Kindheit nicht als sehr einladend erlebt", fasst die Theologin zusammen. Dennoch studierte sie später - mithilfe von Bafög und Nebenjobs - Theologie, weil sie die Vorlesungen als "Fest für den Geist" erlebt hatte. Und umso erstaunter sei sie gewesen, als sie im Jahr 2000 vom Berufungsausschuss um die Kandidatur für den Posten der Regionalbischöfin gebeten wurde.

"Es war schön, als Arbeiterkind mit einer ungewöhnlichen Biografie gefragt zu werden", erinnert sie sich. Die Wahl Breit-Keßlers war ein Novum in der bayerischen Landeskirche:

Als erste Frau rückte die damals 47-Jährige im März 2001 in die Riege der Regionalbischöfe auf - und prägte mit tailliertem Lutherrock zu schmalen Hosen gleich den Stil für alle nachfolgenden Kolleginnen.

Die Theologin übernahm traditionsreiche Formate wie den Kampenwandgottesdienst und erfand neue, wie den Jahresempfang in der Allerheiligenhofkirche, zu dem sie vor allem Ehrenamtliche einlud. Sie ordinierte 186 junge Pfarrerinnen und Pfarrer und weihte Unterhaltungs- und Konsumtempel wie die Allianzarena und das Hotel Charles ein. Bei Tragödien wie dem Zugunglück von Bad Aibling und dem Attentat vom OEZ traf sie den richtigen Ton für Betroffene und Öffentlichkeit.

Eine schmerzliche Wegmarke war die verlorene Wahl zum Landesbischof im Jahr 2011, in deren Vorfeld Breit-Keßler als Favoritin gegolten hatte. Doch angesichts der schweren Krebserkrankung, die sie als knapp 30-Jährige überstand, sei "alles, was danach an Niederlagen kam, nichts" gewesen.

Gratulationen von Landesbischof Kopp und Prieto Peral

Nun wird sie 70 Jahre alt. Und unter den vielen Gratulanten sind auch der Landesbischof Christian Kopp sowie der heutige Regionalbischof von München und Oberbayern, Thomas Prieto Peral. 

"Susanne Breit-Keßler hat sich über viele Jahre einen exzellenten Ruf als kluge, pointierte und hervorragende Rednerin und Publizistin erworben", lässt sich der Landesbischof in einem Statement zitieren.

"Sie hat sich in verschiedenen Funktionen und zuletzt über 17 Jahre als Regionalbischöfin in München und viele Jahre als ständige Vertreterin des Landesbischofs in besonderer Weise um das kirchliche und öffentliche Leben in Oberbayern und Bayern verdient gemacht."

Der Regionalbischof wünscht ebenfalls alles Gute: "Susanne Breit-Keßler bringt Dinge immer auf den Punkt, mit Leidenschaft und evangelischem Selbstbewusstsein. Herzlichen Glückwunsch und Gottes Segen zum 70. Geburtstag!"