Mit Gedenkveranstaltungen erinnern Kirchenvertreter an den Jahrestag der Unterzeichnung der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre ". Die Erklärung hatten der Lutherische Weltbund (LWB) und der Vatikan vor 20 Jahren am Reformationstag in Augsburg unterzeichnet. Damit wurde ein jahrhundertealter theologischer Streit in der Lehrfrage um Gottes Gnade beendet.

Die Kirchen hoben mit der Unterzeichnung der damaligen Schrift ihre gegenseitigen Lehrverurteilungen aus der Reformationszeit auf. Martin Luthers Lehre von der Rechtfertigung des Menschen vor Gott löste Anfang des 16. Jahrhunderts die Kirchenspaltung in Europa aus. Im Jahr 2006 schloss sich die methodistische Kirche mit ihren rund 75 Millionen Mitgliedern weltweit der Erklärung an.

"Es war wirklich ein begeisterndes, bewegendes, buntes Fest der Kirchen", erinnert sich der damalige Regionalbischof vom Kirchenkreis Augsburg und Schwaben, Ernst Öffner.

Zwei Weltkirchen, die römisch-katholische und die evangelisch-lutherische, hätten miteinander ein Fest der Ökumene gefeiert: "Par cum pari", wie es im unterzeichneten Dokument ausdrücklich heißt, "von gleich zu gleich", sagt der 76-jährige Theologe.

30 Jahre lang hatten vor der Unterzeichnung evangelische und katholische Kirche um die Sätze gerungen, heraus kam die Schrift in "Stones Cerife". Das 48-seitige Dokument auf Wildseidenpapier ist gebunden in rotes Ziegenleder und wurde in Donauwörth gedruckt. Am 31. Oktober 1999 gegen 12 Uhr legte in Augsburg der damalige Zeremonienmeister Pfarrer Peter Thorn diese Dokumente aufgeschlagen vor die Vertreter des Vatikans, Kardinal Edward Cassidy und Bischof Walter Kasper. Auf lutherischer Seite setzten der Präsident des Lutherischen Weltbundes Christian Krause und Generalsekretär Ishmael Noko ihre Namen unter die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre".

Anschließend fielen sich Noko und Kasper in die Arme und donnernder Applaus der Gottesdienstbesucher setzte ein. Die ARD vermeldete später, dass zehn Millionen Zuschauer die Gottesdienstübertragung aus der Annakirche gesehen hätten.

Über eine Videoleinwand verfolgten rund 2.000 Zuschauer in der Innenstadt die Unterzeichnung.

Vier Monate hatte Augsburg damals Zeit, sich auf das historische Ereignis mit Hunderten kirchlichen Ehrengästen vorzubereiten. Zwar hatten der Augsburger katholische Bischof Viktor-Josef Dammertz und Öffner bereits 1997 gemeinsam in Rom und Genf für Augsburg als Unterschriftsort geworben. Alles schien auch zunächst auf die Stadt hinauszulaufen, doch dann entbrannte neuer Streit um das Ökumenepapier. Die "Gemeinsame Erklärung" galt als gescheitert. "Ökumene auf Katastrophenkurs" oder "Ökumenisches Desaster" lauteten plötzlich die neuen Überschriften.

Als im Juni 1999 monatelange Abstimmungsgespräche doch noch Erfolg hatten, wiederholten Dammertz und Öffner ihre Einladungen nach Augsburg. Eine Woche später erfuhren die Geistlichen dann, dass sich Augsburg wieder einmal in die kirchlichen Geschichtsbücher würde einschreiben können. Schließlich ist der Name der Stadt verbunden mit der "Confessio Augustana" 1530, dem Versuch eines Brückenschlags der Reformation zur alten Kirche. Und der "Augsburger Religionsfrieden" von 1555 und die Parität 1648 waren weitere historisch wichtige Schritte in Richtung Religionsfreiheit.

Über die Rechtfertigungslehre

Martin Luthers Lehre von der Rechtfertigung des "sündigen" Menschen vor Gott wurde vor fast 500 Jahren zum theologischen Ausgangspunkt der Kirchenspaltung in Europa. Die Kernthese der Reformation, dass der Mensch sein Heil allein aus göttlicher Gnade gewinnen kann und nicht aufgrund eigener Verdienste, steht bis heute im Zentrum protestantischer Verkündigung.

Luther (1483-1546) hatte die seinerzeit herrschende Auffassung, der Mensch könne durch religiöse Leistungen wie Beten, Fasten und Ablass sein Verhältnis zu Gott in Ordnung bringen, radikal infrage gestellt. Er berief sich dabei auf den Apostel Paulus, der im Römerbrief schrieb, der Mensch werde nicht durch eigene "Werke", sondern allein durch "Glauben" gerecht. Eigenes Handeln, Vermögen und Leistung sind demnach für den Wert eines Menschen nicht entscheidend. Auch der Glaube sei keine menschliche Leistung, betonen Theologen, sondern werde von Gott geschenkt.

Im Konzil von Trient (1545 bis 1563) verwarf die katholische Kirche die aus ihrer Sicht "irrige Lehre von der Rechtfertigung". Gute Werke und Leistungen, etwa Teilnahme an Gottesdienst, Wallfahrt, Beichte oder Abendmahl, trügen durchaus zum Seelenheil bei, hieß es. Die Rechtfertigungslehre bildete seit dem Konzil ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Eine Annäherung erfolgte erst Ende des 20. Jahrhunderts. Nach rund 30-jährigem Dialog hoben Lutheraner und Katholiken 1999 in Augsburg in einer Gemeinsamen Erklärung ihre früheren gegenseitigen Lehrverurteilungen auf.