Fast 30 Jahre nach der Öffnung der Grenze zwischen Ost und West gilt es in besonderer Weise an die friedliche Revolution zu erinnern, die zum Fall der Mauer führte. Denn derzeit geschieht in Europa und der Welt eher das Gegenteil. Neue Mauern werden hochgezogen. Mauern der Abschottung gegenüber Menschen, die bei uns Zuflucht suchen. Mauern von Vorurteilen, Ängsten und Misstrauen. Mauern des offenen Hasses und der Gewalt. Wir erleben, dass die europäische Friedensordnung weder selbstverständlich noch ein für allemal gesichert ist. Und wir erkennen, dass wir uns immer wieder neu für diese Friedensordnung einsetzen und Mauern abbauen müssen.

Nicht individuelle und kollektive Stimmungen, nicht Intuitionen und emotionale Präferenzen, nicht "Wutbürger" und der Druck der Straße, sondern demokratisch legitimierte Politik und geltendes Recht bestimmen die Spielregeln, nach denen wir uns richten. Wer sich, wie die "AfD", als "Volkes Stimme" geriert und Politik, Rechtsstaat und Demokratie verhöhnt, tritt das Erbe derer mit Füßen, die in den Jahren 1988 und 1989 Leib und Leben für Freiheit und Offenheit aufs Spiel gesetzt haben.

Kirche maßgeblich an friedlicher Revolution 1989 beteiligt

Vergessen wir außerdem nicht, dass die friedliche Revolution 1989 in der Kirche ihren Anfang nahm. Indem die Kirchen Schutzräume für die Friedensgebete eröffneten, wurden sie zu Kraftorten für den Aufbruch und zum Ausgangspunkt für die gewaltlosen Montagsdemonstrationen. Einen historischen Augenblick lang konnte in einem offiziell atheistischen Staat sichtbar werden, dass Gottes Kraft zur Veränderung stärker ist als die Gewalt der Mauern, der Abschottung, der Angst und der Gleichgültigkeit.

Notwendiger denn je ist daher für Christenmenschen jetzt und heute ein mutiges christliches Denken, das vor den vermeintlichen Normativitäten des Faktischen nicht halt macht. Notwendiger denn je ist ein tatkräftiges christliches Eintreten für Humanität, Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Notwendiger denn je ist ein deutliches Nein zu Populismus, Hass und Hetze und ein deutliches Ja zum Rechtsstaat, dem Garanten einer freiheitlichen Demokratie.

Landtagswahlen sollen Fest der Demokratie werden

So begründet, berechtigt und notwendig christlich motivierte Kritik an der Politik der etablierten demokratischen Parteien auch ist: Sie darf niemals dazu führen, dass wir die Axt an die Wurzel unserer Freiheit legen und die Grundwerte unserer Verfassung zerstören. Achten wir also bei aller Unzufriedenheit mit manchen politischen Entscheidungen nicht gering, was wir auf demokratischem Weg errungen und aus den Kulturkatastrophen des vergangenen Jahrhunderts gelernt haben!

Halten wir am Tag der Deutschen Einheit inne und erkennen wir die Zeichen der Zeit! Lassen wir die Landtagswahlen zu einem Fest der Demokratie werden, indem wir mit unserer Stimme verhindern, dass rechtspopulistische Kräfte erstarken! Das ist nicht nur ein Ausdruck politischer Sensibilität, sondern auch ein Zeichen christlicher Geistesgegenwart.