Helmut Müller kommt immer im August. Vier Wochen. Immer dann, wenn die mit der Urlaubs- und Touristenseelsorge beauftragten Gemeindepfarrer aus dem Fränkischen Seenland südwestlich von Nürnberg selbst mal in den Urlaub fahren wollen. Der Theologe kommt dann aber nicht, um auch in den Kirchengemeinden Vertretung zu leisten - er kommt vor allem für die Urlauber. "Natürlich kommen zu den Gottesdiensten auch Einheimische", sagt er. Aber sein Hauptauftrag sei es, gerade auch eher kirchenfernen Touristen im Urlaub ein "besonderes Erlebnis mit Kirche" zu ermöglichen.

Predigten von der Kanzel gibt es in den vier Wochen deshalb kaum oder gar nicht von Helmut Müller.

Jeden Sonntag um 11 Uhr steht er am Ufer des Kleinen Brombachsees unterhalb von Absberg. "Urlaubsfreundliche Uhrzeiten sind ein Muss", sagt er und lacht. Unter den drei Bäumen am Ufer parkt eine der drei Schäferwagenkirchen des Seenlands, Bänke laden zum Sitzen ein, viele Familien mit Kindern breiten Decken aus. Die Posaunenchöre aus der Region gestalten die Seegottesdienst mit: "Es bleiben immer Leute stehen, die sonst wohl nie in die Kirche gehen."

Zur Urlaubsseelsorge ist Helmut Müller aus der Not heraus gekommen. Erst war er Assistent an der Augustana-Hochschule, später hatte er mehrere übergemeindliche Stellen - etwa an den Evangelischen Bildungszentren in Bad Alexandersbad und in Pappenheim. "Auf diesen Stellen habe ich kaum Predigten gehalten und Gottesdienste gefeiert", erinnert er sich. Die fehlende Praxis habe er dann im Urlaub nachgeholt. "Das war und ist attraktiv", sagt Müller. Denn die Kirche bezahlt für die gesamte Vertretungszeit die Ferienwohnung für die Pfarrersfamilie.

Nach Angaben der bayerischen Landeskirche tun allein in diesem Sommer 79 Pfarrerinnen und Pfarrer solch einen Urlaubsdienst. Für die Kirche sind solche niederschwelligen Angebote wichtig.

"Wenn ich am Abend eine kurze Andacht beim Minigolfplatz halte, dann hören eben auch Leute zu, die mit Kirche sonst nichts am Hut haben", erläutert Helmut Müller. Das müsse dann theologisch gar nicht tiefschürfend sein, was er erzähle: "Das kann auch mal ein kurzes Gedicht als Impuls sein." Dies könne das "in jedem vorhandene" religiöse Interesse wecken.

Müller sieht seinen "Ferienjob" als eine Art Türöffner für die Kirche - er, der früher als Dekan in Uffenheim und Feuchtwangen meistens eher mit kirchennahen Menschen zu tun hatte. "Niemand will doch nur einfach so durchs Leben rumpeln, bis es vorbei ist - Sinnsuche ist ein Urbedürfnis", sagt er. Und das könne Kirche vor allem dann leisten, wenn Menschen dafür Zeit haben, sich zu öffnen, über ihr Leben nachzudenken - eben im Urlaub. Dazu brauche es dann "Hingucker und Hinhorcher", zum Beispiel auch die Bläserserenade am Sonntagabend auf dem Schiff.

Während andere Touristenseelsorger berichten, dass Urlauber gerade in der Ferienzeit dem Pfarrer gegenüber ihr Herz ausschütten wollen, hat Müller solche Erfahrung bisher nur selten gemacht. "Man kann jeden Tag eine Stunde Gesprächszeit anbieten", sagt er. Die verbringe man in der Regel allerdings alleine: "Da kommt niemand." Aber wenn man eine Stunde vor dem Sonntagsgottesdienst schon am See sei, suchten auch manche Urlauber das Gespräch: "Dabei geht es weniger um Krisen oder so." Es sei eher Smalltalk - aber durchaus einer von erbaulicher Natur.

Auch wenn das alles nach viel Spaß und Freude klingt - die Vertretung eines Touristenpfarrers im Sommer ist kein Urlaub. "Deshalb bekommen aktive Pfarrer noch einmal zwei Wochen Urlaub für den Urlaubsdienst obendrauf", sagt Müller. Zur Erholung von der Ferienzeit.