Das Wort Ökumene erlebt einen ähnlich inflationären Gebrauch wie der Begriff Ökologie. Ökumenizität, Ökumenischer Rat der Kirchen, Ökumenischer Patriarch, Ökumenische Konferenz, Ökumenische Konzilien, Ökumenereferat, Ökumenische Andacht, Ökumenischer Kirchentag: So schwach unsere Fantasie ist, wenn es darum geht, Begriffe in unsere eigene Sprache zu übertragen, so überschwänglich begeistert ist sie, wenn es darum geht, mit Fremdworten Saltos zu schlagen. Man sollte sich also nicht wundern, wenn gelegentlich von "ökonomischem Geist" die Rede ist.

Definition von Ökumene: Mehr als Treffen zwischen Katholiken und Protestanten

Wo in den bayerischen Kirchengemeinden heute von Ökumene gesprochen wird, denkt man zuerst an jene Aktivitäten, bei denen sich Katholiken und Protestanten treffen und zusammenarbeiten. Dabei meint das Wort Ökumene, das aus dem Griechischen kommt, ursprünglich die ganze bewohnte Erde, im politischen Sinn die Einfluss-Zone des römischen Weltreiches; erst später war die eine Kirche Jesu Christi in ihrer Universalität und Einheit gemeint. Ökumene umfasst für uns heute die Inhalte "weltweit", "universal" und "missionarisch".

Ökumene lässt die Kirche nicht mehr im Dorf. So verstanden, zielt der weiter gefasste Begriff auf die Einheit aller getrennten Kirchen und Christen. Ökumene lässt die Kirche nicht mehr im Dorf. Die Kirche Christi ist größer als die eigene Konfession. Schließlich geht es beim ökumenischen Gedanken ganz allgemein um das Zusammenleben aller Menschen auf dieser Erde. In diesem Sinne hat der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) stets darauf Wert gelegt, dass christliche Einheit nicht kirchlicher Selbstzweck ist, sondern das Zeugnis und den Dienst in der Welt meint.

Abrahamitische Ökumene zwischen Juden, Christen und Muslimen

Ökumene wird im Neuen Testament griechisch als "Koinonia" (Gemeinschaft) verstanden. Klassischer biblischer Beleg dafür, dass es auch in urchristlichen Zeiten schon auf Bewahrung der Identität ankam, ist Jesu Abschiedsgebet nach dem Zeugnis des Johannes-Evangeliums (Joh 17,21): Alle sollen eins sein. Wie dringlich Jesu Appell und Fürbitte gemeint waren, illustrieren die Paulusbriefe, die voll sind von Parteiungen und Konfrontationen. Es überrascht nicht, dass die Spaltungen der Ost- und Westkirche bereits im Neuen Testament vorgezeichnet sind.

Freilich sehen wir nicht zuletzt aufgrund schrecklicher historischer Erfahrungen immer klarer: Die Trennung von Juden und Heidenchristen ist das ökumenische Problem bis heute geblieben. Das Verhältnis von Synagoge und Kirche ist kein Randproblem der Ökumene, sondern ökumenischer Störfall par excellence.

Inzwischen plädieren viele für eine weiter reichende "abrahamitische Ökumene", das heißt, Juden, Christen und Muslime begegnen sich und versuchen, aus der gemeinsamen Wurzel zu leben.

Doppeltgeschwindigkeit der Ökumene

Ökumene ist keine theologische Hobby-Abteilung, sie ist eine Dimension aller Theologie. Im theologischen Fächerkanon entspricht die Schriftauslegung (Exegese) am weitesten diesem Befund, denn das Problem der Konfessionsverschiedenheit spielt für sie heute kaum noch eine Rolle. Aus gutem Grund ist Ökumene längst nicht mehr nur eine Sache der Theologenzunft, auch die Gemeinden sollen mitreden; die Basisökumene hat inzwischen eine Dynamik entwickelt, bei der so mancher Kirchenleitung schwindlig wird.

So kommt es immer wieder zu einer ökumenischen Ungleichzeitigkeit und Gegenbewegung, die irritiert: Die einen preschen voraus, die anderen sitzen im Bremserhäuschen. Bei der Annahme der Gemeinsamen katholisch-evangelischen Erklärung zur Rechtfertigungslehre konnte man diesem Vorgang begegnen.

"Katholischer Grundentscheid" und "Protestantisches Prinzip"

Apropos Rechtfertigung: Was ursprünglich nur eine Aussage der Polemik und Kritik war an vermeintlichen oder tatsächlichen Fehlentwicklungen in den Kirchen, hat sich später zur Lehre verfestigt. Lehrmäßige Differenzierungen wurden zum "katholischen Grundentscheid" oder zum "protestantischen Prinzip" erhoben. Die Folge: Nichts geht mehr.

Für die ökumenische Bewegung ist es wichtig, vor der Behandlung lehrmäßiger Einzelfragen das unterschiedliche ökumenische Geschichtsbild zu beachten, das bis heute in der evangelischen und in der katholischen Tradition virulent ist. Die katholische Kirche tut sich schwer, andere christliche Zusammenschlüsse als Kirche neben sich zu dulden. Die evangelischen Kirchen dagegen sind überzeugt, dass im 16. Jahrhundert keine neue Kirche gegründet wurde, sondern die eine bestehende Kirche von Luther und anderen anhand der Maßstäbe des biblischen Ursprungs reformiert wurde.

"Rückkehr-Ökumene" keine Option

Der ökumenischen Bewegung ist klar geworden, dass es eine "Rückkehr-Ökumene" (zur katholischen Kirche) nicht geben kann und wird, denn Maßstab kann für alle nur das biblische Zeugnis des Ursprungs sein. Christliche Einheit bedeutet somit nicht Uniformität, sondern biblisch begründete Vielfalt.

Versöhnte Verschiedenheit, wie das aktuelle ökumenische Stichwort lautet, garantiert, dass konfessionelle Identitäten und gewachsene Frömmigkeitsformen nicht eingeebnet werden, wohl aber ihren trennenden Charakter verlieren. Ohnehin halten viele Ökumeniker die Frage, was die Kirchen der Menschheit an Hoffnungen geben können, längst für wichtiger als den Streit um Lehrinhalte.

Weil bei den ökumenischen Zielvorstellungen die Schere auseinanderklafft, werden sich die Hoffnungen auf kirchliche Einheit im institutionellen Sinn auf absehbare Zeit nicht erfüllen. Doch die Erfahrungen geistlicher Einheit zwischen allen Christen sorgen schon dafür, dass Jesu Bitte um die Einheit der Christen nicht ungehört verhallt.