Weiden, Parkstein, Erbendorf, Floß, Vohenstrauß und viele andere Orte der nördlichen Oberpfalz gehörten zum Herrschaftsgebiet Ottheinrichs. Auf das Reformationsmandat des Fürsten hatte man schon sehnsüchtig gewartet. Denn der Fürst vollzog nur noch gesetzmäßig, was sich längst angebahnt hatte. In seiner Predigt betonte Dekan Wenrich Slenczka, dass die Reformation in Weiden schon 20 Jahre früher begonnen hatte. »Eigentlich können wir in fünf Jahren schon das 500-Jährige feiern«, meinte er. Und das sei tatsächlich von der Bürgerschaft ausgegangen, die sich Prediger eingeladen hatte, von denen sie erwarten konnte, »dass sie wirklich die Heilige Schrift predigen und nichts anderes«, erklärte er.

Allein die Schrift als Autorität

Etwa 200 evangelische Christen waren zum Jubiläum der Stadtreformation in die Weidener Michaelskirche gekommen, um Gottesdienst zu feiern. Dieser war auf Wunsch des Dekans ausnahmsweise nach der Kirchenordnung von 1543 gestaltet: Der Chor sang viel, die Gemeindeglieder konnten auf das Wort Gottes hören und beten, erklärte Slenczka. Damals sei die Predigt sogar oft an den Anfang gestellt worden, »damit die Leute nicht gleich wieder aus der Kirche rennen«.

Auch heute noch bedeute Reformation, auf das Wort Gottes zu hören. »Wir haben nichts anderes als dieses Wort. Darum ist die Heilige Schrift allein die Autorität für jede Predigt«, sagte Slenczka und warnte davor, »auf einen persönlich erzeugten Glauben« zu hören, wie es heute Mode geworden sei.

Reformationsgeschichte in Weiden

Im sich anschließenden Festvortrag beleuchtete die Kirchenhistorikerin Gury Schneider-Ludorff von der Augustana-Hochschule Neuendettelsau die regionale Reformationsgeschichte. Die Reformation sei in Weiden eine Bewegung gewesen, die alle Bevölkerungsschichten mitgenommen und sich auch ohne die Akzeptanz des Landesherrn durchgesetzt habe. »Weiden ist ein wichtiges Beispiel für eine Städtereformation, in der sich ein ganz selbstbewusstes Bürgertum zeigte. Aber auch Handwerker und Bauern waren involviert.« Das Religionsmandat Ottheinrichs habe der Bevölkerung lediglich »den letzten Kick« gegeben. Weil Weiden durch den Regensburger Bischof in einem altgläubigen Kontext gestanden habe, sei es sogar gefährlich gewesen, sich offiziell der Reformation anzuschließen. »Aber faktisch hatte Weiden das schon in den 1520er-Jahren getan. Das ist sehr bemerkenswerk«, sagte die Kirchenhistorikerin.

Dekan Wenrich Slenczka
»Die Weidener Protestanten sind selbstbewusst, das ist ganz anders als in anderen Diaspora-Regionen«, sagte Dekan Wenrich Slenczka.

Pfalzgraf Ottheinrich sei ein »Renaissancefürst par excellence« gewesen, er schwärmte für Kunst und Architektur. Relativ spät habe er begonnen, sich für die Reformation zu interessieren. Vielleicht Mitte der 1530er-Jahre. Plötzlich habe es bei ihm diesen Umschwung gegeben, vielleicht weil er erkannte, dass die Bibellektüre für die Bevölkerung wichtig war. Immerhin habe er sich soweit als Landesfürst verstanden, »den guten Glauben der Bevölkerung zu fördern und nahezubringen«, so Schneider-Ludorff.

Pfalzgraf Ottheinrich förderte Bibellektüre

Er förderte die Bibellektüre und befähigte die Gläubigen damit zur Mündigkeit in Glaubensfragen. Außerdem ließ er Bibeln mit eigenen Bildprogrammen ausstatten. Sein letztes Buchprojekt: eine deutsche Bibel. »Das war schon per se Institutionenkritik: Sie machte der Kirche und den Theologen das Recht streitig, über Fragen des Glaubens alleine Auskunft zu geben«, sagte Schneider-Ludorff.

Bis heute sei der Landesvater des kleinen Fürstentums Pfalz-Neuburg und spätere Kurfürst von der Pfalz populär: Durch seine Haltung zur Reformation, die Errichtung des prächtigen Heidelberger Ottheinrichbaus und seinen legendären Bauchumfang von 220 Zentimetern samt einem Gewicht von vier Zentnern. Beides schreibe man bis heute seinem exzessiven Alkoholkonsum zu, der sogar im Liedgut Niederschlag fand.