Der Juli 2018 endete mit einem Knall in Sachen Kirchenasyl: Der landeskirchliche Koordinator für Kirchenasyl, Stephan Reichel, legte sein Amt nieder. Er kritisierte eine "gewisse Verzagtheit" der Kirchenleitung, die "zu leise" gegen die Strafverfahren gegen Pfarrer protestiert hätte. Was war passiert?

Seit März reagiert der Freistaat gereizt auf Kirchenasyle. 68 Menschen befinden sich derzeit unter dem Schutz von 53 evangelischen Gemeinden. Dort warten sie darauf, dass die Überstellungsfrist in das laut Dublin-Verordnung zuständige Land verstreicht und sie ihren Asylantrag in Deutschland stellen dürfen.

Das ist weder verboten noch erlaubt. Kirchenasyl bewegt sich als "Gewohnheitsrecht" im juristischen Graubereich, der aber mittlerweile ziemlich genau definiert ist.

So haben sich Kirchen und Politik 2015 darauf geeinigt, dass die Gemeinden dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) melden, wen sie wann und warum bei sich aufgenommen haben. Im Gegenzug respektieren die Innenminister die Tradition des Kirchenasyls – solange die Kirchen damit sparsam umgehen.

Doch seit März bröckelt die Vereinbarung in Bayern: Vermehrt leiten Staatsanwaltschaften Ermittlungsverfahren gegen Pfarrer ein, aber auch gegen Kirchenvorstände. Tatvorwurf: Beihilfe zu unerlaubtem Aufenthalt. Im Wiederholungsfall drohen Bußgelder oder Freiheitsstrafen. Bei solchen Ankündigungen brauchen die Betroffenen schon ein dickes Fell, um ihre Überzeugung weiter zu leben.

Der Eindruck drängt sich auf, dass die bayerische Politik genug hat von den widerständigen Christen.

Kirchenasyle mit Polizeigewalt zu räumen, kommt nicht gut rüber. Also zieht der Staat die Daumenschrauben durch Strafverfahren an.

Dabei ist Kirchenasyl heute immer "ultima ratio": Leichtfertig lässt sich keine Gemeinde darauf ein, zu groß ist der Aufwand.

Kirchenasyl ist ein Korrektiv für die Kollateralschäden der Politik: Allein 2015/16 haben die Behörden in rund 100 evangelischen Fällen den Anträgen aus humanitären Gründen doch noch stattgegeben.

Viele Haupt- und Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe sind längst Profis in ihrem Fach. Sie engagieren sich aus Überzeugung – und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. Sie tun das mit dem Segen des Landesbischofs, der Kirchenasyl als "Notlösung zur Verhinderung humanitärer Härten" bezeichnet hat.

Den Freistaat ficht das nicht an: Aller Klärungsgespräche zum Trotz setze der seinen harten Kurs gegen das Kirchenasyl fort, bemerkt Oberkirchenrat Martin im Interview.

Mehr denn je brauchen die Aktiven jetzt die klare Rückendeckung ihrer Kirche gegenüber der Staatsgewalt – damit sie nicht frustriert das Handtuch werfen. Denn das wäre für die Kirche vor allem eins: schade.

 

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