Am Anfang der Bayreuther Festspiele stand ein finanzielles Fiasko. Mit großzügiger Unterstützung des bayerischen Königs Ludwig II. hatte Richard Wagner sein Festspielprojekt vorangetrieben. Im Sommer 1876 eröffnete der ebenso gefeierte wie umstrittene Künstler das nach eigenen Entwürfen gebaute Theater in Bayreuth.

Die erste komplette Aufführung des vierteiligen "Ring des Nibelungen" fand im Beisein internationaler Prominenz und unter den kritischen Augen der Weltpresse statt. Tatsächlich war aber nur der erste von insgesamt drei "Ring"-Zyklen ausverkauft.

Am Ende stand ein Defizit von 150.000 Mark (umgerechnet 1,1 Millionen Euro) in der Bilanz, und Richard Wagner spielte danach mehr als einmal mit dem Gedanken, sein ehrgeiziges Unternehmen nach nur einer Saison zu begraben.

Unbespielte Bühne

Fünf Sommer lang blieb die Bühne des Festspielhauses unbespielt, bis Wagner nicht nur neue Finanzmittel organisiert, sondern auch eine neue Oper geschrieben und komponiert hatte. Das Bühnenweihfestspiel "Parsifal" erlebte am 27. Juli 1882 seine Uraufführung in Bayreuth und wurde dort insgesamt 16 Mal gespielt - mit 135.000 Mark Gewinn war der Fortbestand der Festspiele vorerst gesichert.

Wagner erlebte nicht mehr die Verwirklichung seines Plans, dass künftig alle seine Hauptwerke in Bayreuth aufgeführt werden sollten: Er starb am 13. Februar 1883 in Venedig. Unter Leitung seiner Witwe Cosima und später seines Sohnes Siegfried etablierten sich die Festspiele in der Folgezeit, wobei es aus vorwiegend organisatorischen Gründen zwischen den Spielzeiten immer wieder zu ein- oder zweijährigen Unterbrechungen kam.

Den wohl tiefsten Einschnitt ihrer Geschichte erfuhr das Bayreuther Festival mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Nach nur acht Aufführungen wurden die Festspiele am 1. August 1914 abgebrochen. Geprägt war das folgende Jahrzehnt nicht allein vom brachliegenden Festspielbetrieb: Siegfried Wagner und seine Frau Winifred wurden Teil der nationalistisch-völkischen Kreise, die den Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland beförderten.

Zur Zeit des Nationalsozialismus

1923 wurde Adolf Hitler erstmals in Wagners Wohnhaus Wahnfried empfangen, wo er als Reichskanzler und "Führer" sogar eine Art Ersatzfamilie finden sollte. Fragwürdige politische Zeichen setzte Siegfried Wagner bei den ersten "Nachkriegsfestspielen" 1924: "Auf dem Dach des Festspielhauses wehte nicht die schwarz-rot-goldene Flagge der Republik, sondern die schwarz-weiß-rote Fahne des untergegangenen Kaiserreichs", schreibt der Festspiel-Historiker Oswald Georg Bauer.

Der Nähe zu Hitler verdankten die Festspiele nach 1933 auch eine gewisse Stabilität. Reichskanzlei und Reichsrundfunk stützten das Unternehmen durch Zuschüsse, Organisationen wie der NS-Lehrerbund und "Kraft durch Freude" waren Abnehmer von ganzen Kartenkontingenten. So wiederholte sich nach Kriegsbeginn 1939 nicht ein erzwungener Stillstand des Festspielbetriebs: Sogar noch im Sommer 1944 fanden "Kriegsfestspiele" statt - mit den "Meistersingern von Nürnberg" als Begleitmusik zu den Durchhalteparolen der Nazis.

Das Kriegsende 1945 bescherte dem von Wagnerianern als "Weihetempel" fast religiös verklärten Theater eine jähe Umwidmung: Unter US-Besatzung zog ins Festspielhaus vorübergehend die leichte Muse mit Operetten und Varieté ein, derweil Teile des Theaters als Flüchtlingslager dienten.

Aufführungsort von Wagner-Opern

Erst mit dem Beginn von "Neu-Bayreuth" unter Leitung der Brüder Wieland und Wolfgang Wagner im Jahr 1951 wurde das Festspielhaus wieder zum - ideologisch wie künstlerisch "entrümpelten" - exklusiven Aufführungsort von Wagner-Opern.

Noch vor zwei Wochen hatte sich die Festspielleitung zuversichtlich geäußert, dass sich die Corona-Krise entspannen könnte. Nach den aktuellen Entwicklungen entschieden sich die Veranstalter einen Tag vor Probenbeginn zur "Aussetzung" der diesjährigen Festspiele, um die Gesundheit von Mitwirkenden und Besuchern nicht zu gefährden.

Der Festspielsommer 2020 hätte nicht nur mit einer Neuinszenierung der "Ring"-Tetralogie aufgewartet, sondern auch mit einer durchaus spektakulären Premiere im Rahmen der Reihe "Diskurs Bayreuth".

Am 24. Juli, dem Vorabend der diesjährigen Festivalpremiere, war eine Aufführung der 13. Symphonie von Dmitri Schostakowitsch im Festspielhaus geplant, gespielt vom Bundesjugendorchester unter Leitung von Christian Thielemann.

Das "Werk der politischen Mahnung, ein packendes und emotionales Bekenntnis", so eine Ankündigung, erinnert an das Massaker in der Schlucht von Babi Yar, bei dem im Zweiten Weltkrieg mehr als 30.000 Juden durch die deutschen Besatzer ermordet wurden.