In ihrem Herzen sind alle Bayern Protestanten - "jedenfalls, was ihre Widerständigkeit angeht und den Individualismus". Diese These vertrat der lutherische Christ und CSU-Politiker Peter Gauweiler bei der Vorstellung seines neuen Buches "Evangelisch in Bayern" (Claudius Verlag) in der Münchner Kaulbachvilla. Im Gespräch mit der Journalistin Franziska Augstein (u. a. Süddeutsche Zeitung) machte er die Freiheitsliebe als Charaktereigenschaft einer protestantischen Mentalität aus, die Bayern bis heute prägt - das Land mit den barocken Kirchtürmen, Prozessionen und den Marteln am Wegesrand.

Gauweiler, Nachkomme staatsbayerischer evangelischer Pfälzer, belegte seine These mit dem Nachweis von "evangelischen" Einflüssen auf die weiß-blaue Kulturgeschichte seit ihren Anfängen. Der erste bayerische Protestant ist demnach der Agilolfinger Herzog Tassilo III., der Ende des 8. Jahrhunderts nach Einschätzung Gauweilers Bayern den Protestantismus in die Wiege legte.

Bayerische Herzogskirche mit eigener Staatspolitik

In Opposition zum Heiligen Römischen Reich Karls des Großen habe er mit seiner "bayerischen Herzogskirche" eine eigene Staatskirchenpolitik verfolgt und die karolingische Staatsmacht herausgefordert. "Man könnte auch sagen: er hat die erste bayerische Landeskirche gegründet", so Gauweiler. In dieser reformatorischen Linie sieht Gauweiler den von Rom gebannten Kaiser Ludwig dem Bayern (1282-1347).

"Ein ganz früher bayerischer Protestant", der wegen seiner reformatorischen Gedanken zur Zielscheibe der Weltkirche geworden sei. Der Protestantismus sei letztlich auch in das bayerische Staatswappen eingegangen, so Gauweiler, nämlich in Gestalt des blauen Panthers der evangelischen Ortenburger im Wappen des katholischen Altbayern. Auch der goldene Pfälzer Löwe der Wittelsbacher, heute Symbolfigur des Freistaats, ist für Gauweiler evangelisch geprägt - durch die enge Verbindung mit der evangelischen Linie der Wittelsbacher bis zu Fürst Ottheinrich (1502-1559) aus Neuburg in der Oberpfalz.

Protestanten haben Einfluss auf Kulturgschichte

Gauweiler ist überzeugt, dass die protestantischen Einflüsse auf die bayerische Kulturgeschichte den weiß-blauen Freistaat veredelt, aber auch die katholische Konfession zu Reformen getrieben haben. Die Reformation habe auf Bayern größte Wirkung ausgeübt. Nicht nur wegen dem evangelischen Nürnberg, Luthers Zeit auf der Veste Coburg und dem weltweit bedeutsamen Augsburger Bekenntnis. Ohne die Reformation gäbe es keine katholische Reform, keine Jesuiten und keinen Barock in Bayern.

In der Ökumene warb Gauweiler für mehr Respekt vor der jeweils anderen Konfession. Er hält nichts davon, alle Christen in einer "Esperanto-Ökumene" einzuebnen: "Das ist nicht mein Ziel." Er schätzt hingegen den Begriff der "versöhnten Verschiedenheit" innerhalb der einen Kirche, die es seit 2000 Jahren gebe. Kirche ist für ihn "überall dort, wo zwei oder drei im Namen Jesu zusammenkommen". In der Ökumene gilt für Gauweiler das Wort Joseph Ratzingers, den er als "kirchlichen Reformator unserer Zeit" sieht: "Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt."

Bayern ist protestantisch

Bayern ist also durch und durch protestantisch - auf der anderen Seite sieht sich Gauweiler in einer doppelten Diaspora: als Protestant im katholischen München und als evangelischer Freigeist in der CSU. Er erzählte aus seiner Schulzeit in München-Großhadern, als er einer von zehn Evangelischen unter 200 Schülern an der Canisius-Schule war - benannt nach dem gegenreformatorischen katholischen Heiligen. Seine geistliche Heimat in München-Hadern war bezeichnenderweise die lutherische "Reformations-Gedächtniskirche".

Ob ihm das Evangelisch-Sein in seiner politischen Karriere in der katholisch geprägten CSU geschadet habe, wurde er gefragt. "Nicht geschadet, eher sogar genützt", erwiderte Gauweiler. Ausgangspunkt ist sein persönliches Bekenntnis "an der Schnittstelle der beiden Heimaten Evangelisch-Sein und Bayern": "Mir schmeckt das Protestantische in München und Oberbayern wie Vollkornbrot inmitten eines reichhaltigen Festmahls", sagte er. "Und ohne Vollkornbrot kann ich nicht leben."

Claudius-Verlagsleiter Martin Scherer über das Buch

Claudius-Verlagsleiter Martin Scherer erläuterte, was die Seiten des Buches Evangelisch in Bayern zusammenhält: "Leidenschaft für den Protestantismus und die Bavarität". Der Ausdruck Bavarität stammt übrigens von dem afrikanischen Philosophen und Politiker Léopold Sédar Senghor aus dem Senegal, nach einem Gespräch mit Franz Josef Strauß - der sich laut Gauweiler als Deutscher "auf den Schultern Martin Luthers" sah. 

Peter Gauweiler über Gott und die Welt - im EPV-Redaktionsgespräch

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Gauweiler BuchPeter Gauweiler

ISBN 978-3-532-62810-2

15, - Euro