Seinem am 18. Dezember 1937 entstandenen Gedicht "Die Nacht ist vorgedrungen" schickte Jochen Klepper programmatisch diesen Bibelvers aus dem Römerbrief (13, 11-12) voraus: "Und das tut, weil ihr die Zeit erkennt, nämlich dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts."

1. Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern.
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.
 
2. Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll' nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.
 
3. Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah.
 
4. Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.
 
5. Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute,
der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.

Jochen Kleppers Gedicht "Die Nacht ist vorgedrungen" fand von Johannes Petzold vertont als Adventslied Eingang in zahlreiche Gesangbücher. Es findet sich im Evangelischen Gesangbuch (EG 16), im katholischen Gotteslob (GL 111), im Mennonitischen Gesangbuch (MG 249) und im Gesangbuch Feiern & Loben (FL 190).

Der Text ist reich an biblischen Anspielungen, "Morgenstern" (Offenbarung 22, 16), "zur Nacht geweinet" (Psalm 30, 6), "alle Engel dienen" (Hebräer 1, 6), "von Gottes Angesicht kommende Rettung" (Apostelgeschichte 3, 20), "Gott will im Dunkel wohnen" (1. Könige 8, 12), "wer dem Sohn vertraut, kommt aus dem Gericht" (Johannes 5, 24), wie auch an zahlreichen Zitaten aus der Gesangbuchtradition, "Angst und Pein" (Herr Jesu deine Angst und Pein), "dem alle Engel dienen" (Dies ist die Nacht da mir erschienen), "lässt den Sünder nicht" (Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich).

Wie das Lied "Die Nacht ist vorgedrungen" entstand

Das Lied charakterisiert seine Zeit als eine in nächtlichem Dunkel befindliche, der wohl der anbrechende Tag folgt, welcher auch durch den dreifach erwähnten Morgenstern gekennzeichnet wird und zu dessen Lobgesang Strophe 1 aufruft.

Klepper schrieb kurz vor der Entstehung des Gedichts in sein Tagebuch: "Es geschieht Hannis wegen. Ich glaube nicht an Aktionen. Gott will im Dunkel wohnen, und das Dunkel kann nur durchstoßen werden durchs Gebet."