Herr Roth, welches Konzept haben Ihre Mitsing-Konzerte in St. Markus?

Michael Roth: Das Ganze ist niederschwellig, Proben sind nicht nötig, jeder kann mitmachen, egal ob er nur brummt, oder ob er regelmäßig singt. Meist sind die Abende eine Mischung aus konzertanten Stücken und solchen zum Mitsingen. Der Markuschor und der Posaunenchor sind dabei und mischen sich bei den Liedern für alle unter die Leute - so entsteht ein Dolby-Surround-Effekt, der Klang kommt nicht nur aus einer Richtung, sondern von überall. Die Leute spüren die Musik und sind oft ganz ergriffen. Singen ist Energie und Vibration. Es ist ein großartiges Gefühl, wenn man mittendrin ist.

Ein Chor, der nie zusammen geprobt hat, mit Menschen, die eher brummen als singen - klappt das?

Michael Roth: Der Trick ist, eine angenehme Tonart zu wählen und klangbetonte Stücke herauszusuchen, die schnell klingen und direkt ins Gefühl gehen. Man darf nicht zu viel erklären und üben, das verdirbt die Stimmung. Stattdessen verstärke ich manchmal einzelne Stimmen, bis die Leute in die Melodie reinkommen. So klappen auch mehrstimmige Sachen wie der "Andachtsjodler". Das Ergebnis ist echt cool, das übliche Raumkonzept wird aufgebrochen, der Klang verbindet die Menschen mit dem Kirchenraum. Dass ein paar Leute brummen, stört überhaupt nicht - es gehört sogar dazu.

Viele Menschen trauen sich nicht zu singen, weil sie Angst haben, sich zu blamieren. Warum sollten sie sich überwinden und es trotzdem tun?

Michael Roth: Musik bewirkt etwas, das weiß man längst aus dem Therapiebereich. Sie hat eine ganz natürliche kosmische Ordnung in ihren Tönen und Intervallen. Durch musizieren kann der Mensch mit sich ins Reine kommen. Selbst zu singen, räumt innerlich auf und bringt Frieden. Ich würde sogar behaupten: Wenn alle Menschen Musik machen würden, gäbe es weniger Konflikte auf der Welt.