Feine dunkle Linien mit einem energischen Schwung, krakelig und unleserlich: Das sind Martin Luthers handschriftliche Anmerkungen für seine Bibelübersetzung, die auf der Briefmarke neben dem gedruckten Bibeltext in alter Schrift zu sehen sind. Doch gerade diese Korrekturen waren der Grund dafür, dass jetzt genau diese Bibelseite viele Maxi-Briefe in Deutschland verschönern wird.

"Es hat mich besonders fasziniert, wie er seine Korrekturen gemacht hat, fast schon kalligrafisch", erklärt Peter Krüll. Der Professor für Grafik-Design an der Technischen Hochschule Nürnberg hat sich für die Sonderbriefmarke intensiv mit Luthers Texten beschäftigt. "Die reine Gestaltung ist nur ein kleiner Teil der Gesamtarbeit. Die Recherche nimmt mehr als 50 Prozent ein", sagt Krüll.
Zuerst entwerfe er auf dem Papier ein Konzept, die Bildmotive kämen meistens von außen auf ihn zu. Er habe in verschiedenen Bibliotheken recherchiert und sei dann in einem großen Archiv in Jena fündig geworden. Dort gab es eine digitalisierte Version von Luthers Bibelübersetzung, ein sogenanntes Revisionsexemplar, das handschriftliche Anmerkungen des Reformators enthielt. Zehn Seiten, die er am spannendsten fand, hat Krüll ausgewählt.

Dass es letztlich die Seite aus dem Matthäus­evangelium wurde, war fast schon Zufall, erzählt er. "Diese Seite hat mich visuell am meisten begeistert", so Krüll. Später habe ihm der Leiter des Archivs in Jena bestätigt, dass es sich dabei auch inhaltlich um eine Schlüsselstelle für Luthers religiöse Standpunkte handeln würde.

"Kleinstes Designobjekt"

Bis eine Sonderbriefmarke in der Postfiliale auftaucht, sind einige Schritte notwendig. Denn eine Briefmarke ist Staatssache: Für die Gestaltung des hoheitlichen Zeichens ist das Bundesfinanzministerium zuständig. Jeder kann Themen vorschlagen, bis zu 500 Vorschläge gehen jährlich beim Finanzministerium ein. Dass aus ihnen auch Marken werden, kann man an der Sonderbriefmarke sehen: Das Thema zur Bibelübersetzung Luthers wurde von der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) vorgeschlagen.

Welche Themen letztendlich verwirklicht werden, entscheidet der Programmbeirat, der das Ministerium unterstützt. Seine Mitglieder sind Politiker, Grafiker, Briefmarkensammler, Verwaltungsfachleute und Angestellte der Post. Steht ein Thema fest, wird ein Wettbewerb vom Kunstbeirat ausgeschrieben, an dem aber nur ausgewählte Grafiker teilnehmen dürfen, wie Krüll erklärt. "Vorher muss man sich mit seinem Portfolio beim Kunstbeirat bewerben, dann wird man in einem Pool aufgenommen, aus dem dann sechs bis acht Grafiker ausgewählt werden", erläutert Krüll die Prozedur. Drei Entwürfe hat er eingereicht und zu jedem Entwurf mussten Erläuterungen und Quellenangaben gemacht werden. "Mein Anliegen war es, bei der Gestaltung ein klares Konzept zu haben ohne große Schnörkel."

Der Kunstbeirat, der sich laut Krüll aus Fachleuten aus dem Kunst- und Grafikbereich zusammensetzt, trifft dann die endgültige Entscheidung. "Eine Briefmarke zu gestalten, ist eine schöne Aufgabe", findet der Grafikdesigner. "Sowohl inhaltlich, als auch gestalterisch." Schließlich sei die Briefmarke auch ein kulturelles Designobjekt, vielleicht sogar das kleinste.

Für Krüll war die Auseinandersetzung mit Luther eine neue Herausforderung: "Ich bin evangelisch, so wie meine Mutter, das ist meine einzige Beziehung zu Luther gewesen." Spannend fand er die Auseinandersetzung mit dem Reformator vor allem wegen dessen umfangreichen Werks und der gesellschaftlichen Auswirkungen.

Übrigens kommt die erste Briefmarke im heutigen Deutschland aus dem damaligen Königreich Bayern: Am ersten November 1849 wurde sie eingeführt und war einen Kreuzer wert. Der Schwarze Einser wurde sie genannt. Da ist die Sonderbriefmarke mit 2,60 Euro doch deutlich teurer.