Die Lehrer des Hexenverfolgungs-Seminars wollten als Ergebnis ungern "zehn kleine Reisig-Scheiterhaufen sehen mit einem Pfahl, an dem eine rothaarige Frau festgebunden ist", sagt der evangelische Pfarrer Martin Wohlleber, der im staatlichen Würzburger Röntgen-Gymnasium Religionsunterricht gibt. Die Aufgabe an die Schüler lautete deshalb: Entwerft ein nicht-figürliches Mahnmal für die Opfer der Hexenverfolgung. Für diese abstrakte Lösung setzten sich zehn junge Leute in einem sogenannten P-Seminar eineinhalb Jahre mit dem Thema auseinander.

Das eigentliche Problem der figurativen Darstellung ist für den Theologen aber nicht die dräuende Reihe gleicher Lösungen, sondern: "Das Figürliche zeigt zu oft die Oberfläche, reduziert ein Thema auf Bekanntes und rutscht ins Klischee." Die moderne, abstrakte Formensprache, zu der auch Kunstlehrer Hubert Pfingstl anhielt, "zwingt den Zuschauer, gründlicher hinzugucken und sich Gedanken darüber zu machen".

Der Schmerz, die Enge und die Ausweglosigkeit von Menschen, denen Hexerei vorgeworfen wurde, wird in den meisten Schülerarbeiten ausgedrückt. Zweimal gibt es Wege zwischen beengenden Mauern zu gehen, in denen der Besucher die Gefühle der Gefangenen kennenlernen soll. Ein Modell arbeitet mit Spiegelungen, die andeuten, dass es jeden, auch den heutigen Betrachter des Mahnmals treffen konnte. Zwei Installationen arbeiten mit den Namen der Opfer. Am figürlichsten ist eine Installation mit deutlich erkennbarem Hexenhammer – Symbol für das gleichnamige Buch, das in der frühen Neuzeit vorgab, Indizien des Hexenwesens zusammenzustellen. Für Wohlleber ist das figurative Element dieser Arbeit keine Thema- bzw. Formverfehlung. Ganz im Gegenteil: "Mich als evangelischen Theologen hat die optische Ähnlichkeit des Hexenhammers mit dem Kreuz besonders erschüttert. Damit wurden Menschen zerschmettert."

Mahnmal für die Opfer der Hexenverfolgung

Eine rein formale Vorgabe lautete, das Entwurfsmodell auf einer Grundplatte von 50 mal 50 Zentimetern zu präsentieren. Dabei blieb offen, ob der halbe Meter in der Wirklichkeit zwei Meter repräsentieren solle oder 50 Meter. Jedenfalls bringt das einheitliche Ausmaß eine gute Einheit in die Präsentation auf einem Flur des katholischen Jugendhauses Kilianeum. Allerdings haben die Modelle trotz ökonomischer Bauweise das Budget des P-Seminars gesprengt. Und sind in dem Flur leider schlecht ausgeleuchtet.

Dafür könnten sich die Bemühungen der Zwölftklässler später auszahlen. Die Schüler wollen nicht ausschließen, dass die Stadt Würzburg einen ihrer Entwürfe tatsächlich umsetzt. Zumindest fasste der Stadtrat vor zwei Jahren den Grundsatzbeschluss, dass ein Mahnmal für die Opfer der Hexenverfolgung errichtet werde.

1200 Opfer

Martin Wohlleber brachte neben dem Kunstunterricht seines Kollegen Hubert Pfingstl das Fach Religion ein. Allerdings war sein Stoff in erster Linie historisch, ja regionalhistorisch ausgerichtet. Es sei im Kollegium kein Geschichtslehrer auf das Thema Hexenverfolgung spezialisiert, erklärt der Theologe, der sein eigenes Examen vor rund 30 Jahren schon gern zu diesem Thema abgelegt hätte – allein, es fand sich an seiner Universität damals kein Prüfer mit hinreichenden Fachkenntnissen.

Dieses Wissen lässt sich im ehemaligen Hochstift Würzburg gründlich erwerben. Hier sind die Details der jahrhundertelangen Menschenjagd recht gut dokumentiert. So kennt man die Namen vieler der 1200 Opfer, übrigens mehr Männer als Frauen, darunter viele Kleriker.

Besucher stimmen ab

Mit einigen historischen Irrtümern räumt die kleine Ausstellung auf: Die Beschuldigten wurden selten lebendig verbrannt, sondern erst nach ihrem Tod. Damit verschwanden auch die Foltermale – und damit die Beweise gegen die brutale Prozessführung. Einer der Entwürfe setzt genau hier an.

Die Schülerinnen und Schüler sind sich einig, dass in der Würzburger Erinnerungskultur zu diesem Thema eine Lücke klafft: "Hier wird ein ganz wesentlicher Teil der Geschichte unterschlagen, sieht man mal von gelegentlichen Stadtführungen zu den Hexenverfolgungen ab."

Die Besucher entscheiden, wie es weitergehen könnte. Sie dürfen eine Stimme für den Entwurf abgeben, den die Stadt Würzburg auf ihrem Boden realisieren möge. Eine Umsetzung ist damit allerdings nicht garantiert. Einige Räte befürworten obendrein ein Mahnmal in einem Vorstadtwald. Das sehen dann nur wenige Spaziergänger, aber an diesem Ort wurde die letzte angebliche Hexe von Würzburg getötet. Übrigens erst 1749.