Wenn Besucher am Garten von Anton Klaus vorbeispazieren, bleiben sie oft stehen und schütteln staunend den Kopf. "Erst neulich hat mich eine Frau gefragt: Wie kommen so viele verschiedene Apfelsorten auf einen Baum?", berichtet Klaus. "Dann sage ich immer: Das geht natürlich nicht von heute auf
morgen."

Gut drei Jahrzehnte hat Klaus gebraucht, bis er in dem idyllischen Streuobstgarten im schwäbischen Oberneufnach die vielen Apfel- und
Birnbäume zusammen hatte. Das Faszinierende an den Bäumen: Jeder trägt mehrere Sorten. Insgesamt sind es 750, davon 500 Apfel- und 150 Birnensorten.

Pomologe Anton Klaus hat rund 500 Apfelsorten

Größte Attraktion des Gartens ist der "Wunderbaum", wie Klaus ihn nennt. Ein Bilderbuch-Apfelbaum, auf den Klaus im Laufe der Jahrzehnte 115 Sorten
aufgepfropft hat, an jedem Ast eine andere Sorte – eine Art Apfel-Arche. Vor gut 30 Jahren hat Klaus in seinem Garten die ersten Apfelbäume gepflanzt.
"Weil ich Äpfel seit meiner Kindheit liebe", erzählt er. Irgendwann habe er gemerkt, dass es viele alte Apfel- und Birnensorten gibt, die vom Aussterben bedroht sind: "Da ging es los mit der Pomologie."

Die Pomologie ist die Lehre der Obstarten und Obstsorten. Alte Apfel- und Birnensorten aufzuspüren, sie zu bestimmen, einzuteilen und dann zu bewahren – das hat sich der gelernte Maschinenschlosser Klaus selbst beigebracht. "Detektivische Kleinarbeit" sei es oft, eine alte Sorte zu finden und sie zu bestimmen.

Vielfalt der Apfelsorten in Bayern sinkt

Am Anfang durchsuchte Klaus dafür Streuobstgärten in seiner Heimatregion. Später durchkämmte er auch Pfarr-, Schloss- und Klostergärten.
Dort findet sich so manche Rarität. Der "purpurrote Cousinot" etwa, eine Apfelsorte, die bereits im 16. Jahrhundert erwähnt wurde und die es nur noch selten gibt. "In 30 Jahren habe ich davon nur einen einzigen Baum entdeckt", berichtet Klaus. "Und ich hatte Glück: Ein Jahr später kam ein Sturm – und der
Baum war weg."

So geht es mit vielen alten Apfel- oder Birnensorten in Bayern. Oft gibt es nur noch wenige Bäume, und die sind bis zu 100 Jahre alt. "Wenn man die nicht innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre erfasst, sind sie weg – und die Sorte ist für immer verschwunden", sagt Pomologe Klaus. "Von den rund 1.500 Apfel- und Birnensorten, die es vor 150 Jahren in Bayern gab, sind nur noch etwa 800 bis 1.000 übrig", bestätigt Hans-Thomas Bosch. Der Agraringenieur ist an der Hochschule für Gartenbau im oberbayrischen Weihenstephan für Projekte des Sorten Erhalts zuständig.

Hochschule Weihenstephan kartiert alte Obstsorten

Die Hochschule sucht und kartiert alte Kernobstsorten. In Schlachters bei Lindau wurden 170 Apfel- und Birnensorten angepflanzt. Das von der EU geförderte Projekt dient dabei nicht nur dem Erhalt eines Kulturgutes. Die Forscher wollen damit auch Sorten, die für den Anbau in einer Region gut geeignet sind, wieder nutzbar machen.

Für Anton Klaus steht fest: Wer nur Äpfel aus dem Supermarkt isst, weiß gar nicht, welche Geschmacksvielfalt ihm entgeht. Auch deshalb isst er in der Saison bis zu zehn Äpfel täglich!

 

Symbolik: Was bedeutet der Apfel?

In der Antike war der Apfel ein Symbol für Leben, Kraft und Fruchtbarkeit. Im antiken Persien symbolisierte er herrschaftliche Macht. In der Bibel wird der Apfel verbunden mit der Versuchung und dem Sündenfall, aber auch mit Erlösung. In der profanen Welt stand der mittelalterliche Reichsapfel für Vollkommenheit, Ganzheit und Einheit.