Fast einen Meter hoch ist das Ei in der gläsernen Vitrine. Auf seine Schale sind in mühevoller Detailarbeit Figuren in fernöstlichen Gewändern und ein Elefant mit zwei Reitern gemalt. "Dieses Exemplar stammt aus Indien und hat mit unserem christlichen Denken vom Osterei gar nichts zu tun", erklärt Tobias Schmid, der Leiter des Stadtmuseums Schwabach.

Sein Museum, das sich in einer ehemaligen Wehrmachtskaserne befindet, beherbergt eine der größten Eiersammlungen der Welt. Im Mittelalter war Schwabach bekannt für die Herstellung von Blattgold, zur Zeit der Industrialisierung für Draht oder Nadeln. Von Eiern gab es da noch keine Spur.

"Angefangen hat alles mit dem Schwabacher Industriellen Carl Wenglein", sagt Schmid.

Dieser sei durch die Herstellung von Grammophonnadeln zu Wohlstand gekommen. Zudem gründete der Vogelliebhaber 1931 den Weltbund der Natur- und Vogelfreunde.

Auf seinem Fabrikgelände eröffnete Wenglein eine Ausstellung, die neben heimischen Vogeleiern auch Nester aus der ganzen Welt sowie verschiedene Bausätze für Nistkästen enthielt. Gemäß seinem Credo "Wo Vogelsang, da Erntesegen" wollte er die Bevölkerung damit für die Nützlichkeit der Vögel und deren Schutz begeistern. "Wenglein hatte sogar eine Privataudienz bei Benito Mussolini, bei der er ihn vom Schutz der Zugvögel überzeugen wollte", erläutert Schmid.

Als Wenglein 1935 starb, übergab seine Witwe die Sammlung dem Stadtmuseum. So wurde der Grundstein für die Eiersammlung gelegt. In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde die Ausstellung um handgefertigte Ostereier aus Franken erweitert, um eine regionale Geschichte des bunten Osterbrauchs darzustellen.

Tobias Schmid, der Leiter des Stadtmuseums Schwabach
Tobias Schmid, der Leiter des Stadtmuseums Schwabach im afrikanischen Teil der Sammlung

"Den Durchbruch zur weltweit ausgerichteten Sammlung verdanken wir der Würzburgerin Martha Heer-Maynollo", verrät der Museumsleiter. Diese habe Eier aus Asien, Afrika, Australien, Amerika und Europa gesammelt. Auch das indische Ei stammt aus diesem Nachlass. Das Spannende sei, dass das Ei in allen Kulturkreisen eine ähnliche Bedeutung habe. "Sowohl bei den australischen Aborigines wie auch im chinesischen Kaiserreich war das Ei Symbol für Fruchtbarkeit und Reichtum", führt Schmid aus.

Eine kulturelle Besonderheit stellten die steinernen Harmonie-Eier aus Korea dar. "Das eine Ei steht für die Frau, das andere für den Ehemann", erläutert er. Gibt es Probleme in der Ehe, legt einer das jeweilige Ei quer: "Das bleibt dann so lange liegen, bis das Paar sich ausgesprochen und die Sache geklärt hat."

Der Vorteil solcher steinerner Eier sei ihre leichte Pflege. Bei echten Hühnereiern dagegen brauche es zum Reinigen der Vitrinen viel Fingerspitzengefühl.

Problematisch sei auch, wenn Eier nicht ausgeblasen seien, also samt Eidotter verziert wurden:

"Sind sie nicht ausgetrocknet, kommt es schnell zu Gasbildung, so dass die Eier platzen können", erklärt Schmid.

Dazu kommt, dass die Fenster aller Räume verdunkelt sein müssen, weil die Naturfarben der bemalten Eier durch das Sonnenlicht schnell ausbleichen würden. Eine weitere Rarität, die dieses Problem nicht hat, kommt aus Ungarn. Dort wurden Eier mit dekorativen Metallplättchen beschlagen. "Die Eier waren laut Volkskundlern Liebesgeschenke der Schmiede an ihre Freundinnen", erklärt Schmid. Die filigrane Arbeit mit Hammer und Nagel sollte der Beweis für die Geduld und das Feingefühl des künftigen Ehemannes sein.

Der eindeutig religiöse Bezug auf die Auferstehung Christi sei hingegen nur in katholischen Gebieten Mittel- und Osteuropas wie Deutschland, Österreich und Polen vertreten gewesen, sagt er.

"In Spanien oder Großbritannien ist der Brauch, Eier an Ostern zu bemalen, kaum verbreitet".

Eine dritte, naturkundliche Dimension erhielt das Museum durch die Zusammenarbeit mit dem Bund Naturschutz in den 2000er-Jahren. Damals sammelte ein Biologe die Eier von Dinosauriern und Vögeln. Die Eierschalen eines Protoceratops etwa stellen mit 80 bis 90 Millionen Jahren die ältesten Artefakte der Ausstellung dar. Und das große Ei des ausgestorbenen Elefantenvogels wiegt rund zwölf Kilo.

In der Abteilung "Kunst und Kitsch" ist gesammelt, was entfernten Bezug zum Ei hat. Neben eiförmigen Uhren aus den 1970ern oder Eier mit politischen Botschaften erscheint hier das auf ein Ei gemalte Gesicht von Franz Josef Strauß oder ein "Gauck-Ei" vom Düsseldorfer Karneval 2012: Damals war gerade bekanntgeworden, dass Joachim Gauck nach dem gestürzten "Bundesadler" Christian Wulff aus dem Ei ins Amt des Bundespräsidenten schlüpfen sollte.

Höhepunkt der Sammlung ist das Werkstück des aus Gold, Silber, Emaille, Diamanten und Rubinen gestaltete Gorbatschow-Friedens-Eis. Das Original zu dem Werkstück ist laut Schmid in Moskau ausgestellt. Der ehemalige Präsident der Sowjetunion bekam das Präsent 1991 anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises.