Zum Beispiel die junge Filmemacherin Annika Pinske: In ihrem zu einem kleinen Meisterwerk ausgereiften Kurzfilm "Homework" erzählt sie kompakt, aber mit großer Leichtigkeit in nur sieben Minuten die fiktive Geschichte eines jungen Vaters, der sein herzliches Verhältnis zu seiner zwölfjährigen Tochter nicht gefährden will.

Gleich in der ersten Einstellung ihres Abschlussfilms zeigt die Studentin der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, wie kostbar für die beiden Protagonisten die gemeinsame Zeit miteinander ist. Während sich der Vater mit Fitnessübungen auf seine Arbeit im Nachtclub vorbereitet, macht er gleichzeitig seine Tochter fit für den Schulunterricht und lässt sie Sätze wie "Ich liebe das Leben" auf Englisch deklinieren. Anschließend beobachtet die Tochter ihn heimlich auf der Bühne, wo er in eng anliegenden Glitzerleggins seine Muskeln spielen lässt. Davon darf die Mutter allerdings nichts erfahren. Vater und Tochter denken sich deshalb Notlügen aus.

"Eigentlich sind meine Filme immer Antithesen", sagt die Filmemacherin, die vor ihrer Beschäftigung mit Film ein Philosophiestudium begonnen hat. Mit "Homework" setzt sie sich über jedwedes Klischeedenken hinweg und will darauf aufmerksam machen, dass es in bestimmten Milieus, die man gerne als unmoralisch verurteilt, auch warmherzige Momente gibt.

"In nur wenigen Minuten sagt der Film viel mehr über Liebe, Vertrauen und Beziehungen aus als viele abendfüllende Spielfilme. Die Kameraführung ist unkonventionell, dabei entstehen wunderbar fotografierte Bilder, die die Handlung unterstützen": So urteilte die Jury und vergab für seine unkonventionelle Kameraarbeit Ben Bernhard den Camera Award.

Intimität und Hingabe

Es ist auffällig, wie engagiert die jungen Filmemacher ihren Blick verstärkt auf all jene richten, die am Rand der Gesellschaft leben: Alleinerziehende, Flüchtlinge, einsame Außenseiter, die noch im vordigitalen Zeitalter leben, alt sind oder in Pflegeheimen vor den Augen der anderen verborgen sind. In dem sehr berührenden 15-minütigen Spielfilm "Bark" der Kolumbianerin Paloma Rincón wird das Baden zum Ritual zwischenmenschlicher Begegnung. In der Nahaufnahme wandert das Kamera­auge über den verwelkten und ausgemergelten Körper einer alten Dame mit leerem Blick. Eine junge schwarze Pflegerin hilft ihr sanft und behutsam bei der Körperpflege. In der Intimität entsteht ein eindringliches Bild der Hingabe sowie der Nächstenliebe. Und eine Aura des Geheimnisvollen.

In der Geborgenheit des Elements Wassers werden bei der an Alzheimer erkrankten 74-Jährigen die Erinnerungen wach. Dabei bleibt es in der Schwebe, ob diese wahr oder nur geträumt sind. Für ihren existenzielle Fragen aufwerfenden Spielfilm wurde die Regisseurin mit dem Wolfgang Längsfeld-Preis für den originellsten Film geehrt.

In diesem Jahr präsentierten sich auf dem Festival 33 Filmhochschulen aus 21 Produktionsländern. In einem Wochenmarathon wurden 50 Kurzspielfilme, Dokumentationen und Animationen im Wettbewerb gezeigt. Es wurden zwölf Preise mit Preisgeldern von insgesamt rund 54 000 Euro verliehen.

"Some like it female!" - manche mögens weiblich, könnte man in Ergänzung des Festivalmottos "Some like it short!" konstatieren: Denn fast die Hälfte der Filme wurde von Regisseurinnen gedreht. Festivalleiterin Diana Iljine freut sich, "dass so viele starke Filme von Frauen vertreten waren und das Festival für diese eine Plattform sein durfte".

Auch der Hauptpreis ging an eine Filmemacherin: Für ihren Beitrag "Gabber Lover" wurde Anna Cazenave-Cambet, Studentin der Pariser Filmschule "La Femis", mit dem VFF Young Talent Award ausgezeichnet. Zwischen Mila und Laurie entspinnt sie in den nur 13 Minuten ihres einfühlsamen Films eine berührende Liebesgeschichte unter 13-Jährigen, musikalisch untermalt mit harten Basstrommeln des "Gabber", einer Variante der Musikrichtung Techno.

In Zeiten der Globalisierung ist es schwerer geworden, noch ländertypische Stile der einzelnen Schulen zu erkennen. Aber es ist spannend zu sehen, wie gekonnt der Kino-Nachwuchs Kurzfilme für persönliche Handschriften nutzt. Kurz: Diese Form des Filmemachens hätte mehr Aufmerksamkeit auch außerhalb von Festivals verdient.