Man ahnt das Feuer mit lodernden Flammen und die Rauchschwaden, die über das Konzentrationslager Birkenau hinwegziehen. Genau sehen kann man es eigentlich nicht, zu abstrakt sind die Bilder des Künstlers Gerhard Richter angefertigt. Nur zwei Farben benutzt er dazu, außerdem schwarze und weiße Pinselstriche, die die Gräuel der NS-Zeit darstellen. 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau zeigt das Akademische Forum im Bistum Augsburg nun eine Sonderausstellung mit einem Bildzyklus von Richter. Die Sonderausstellung ist bis 2. Februar 2020 im Diözesanmuseum St. Afra zu sehen.

Vier im August 1944 von einem unbekannten Häftling in Auschwitz-Birkenau aufgenommene Negative über den systematischen Massenmord bilden den Ausgangspunkt für den 2014 entstandenen Zyklus Birkenau des Künstlers Gerhard Richter.

Auf den Originalbildern sind unter anderem Leichenberge zu sehen, die von Mithäftlingen in dem damaligen Konzentrationslager verbrannt werden. Die Originalbilder konnten 1944 nur gemacht werden, weil polnische Widerstandsgruppen zuvor Kamera und eine Filmrolle in das KZ einschmuggeln konnten.

Der nach sechsjähriger Auseinandersetzung fertiggestellte Birkenau-Zyklus sei Ergebnis "eines intensiven Ringens um den angemessenen Umgang mit dem zutiefst Abgründigen", sagte die theologische Hochschulprofessorin Gerda Riedl. "Gerhard Richter hat eigentlich unbeirrt am Unausdrücklichen gearbeitet und Darstellungsräume in Empfindungsräume verwandelt", betonte Riedl. Die Radikalität der Bildwirkung unterstreiche die ungewohnte Beschränkung auf die zwei Farben Grün und Rot und die beiden Nichtfarben Weiß und Schwarz. Damit habe Richter in dem Zyklus Trauer, Trauma, Schmerz und Scham verewigt.

Am 27. Januar 2020 jährt sich die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zum 75. Mal. "Wir haben uns gefragt, wie Erinnerung gelingen kann, ohne das Grauenvolle zu objektivieren, zu nivellieren oder gar zu ästhetisieren", sagte Markus Schütz vom Akademischen Forum.

Dabei sei man auf den Zyklus von Richter gestoßen, "dem auf sehr abstrakte Weise und weg von der Gegenständlichkeit" ein moderner Versuch dieser Erinnerung gelungen sei.

Der 1932 in Dresden geborene Gerhard Richter gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Künstler. Richter hatte die KZ-Bilder 2014 erstmals gesehen und dann den Zyklus zunächst auf Leinwand umgesetzt. Danach wurden Kopien und Fotografien angefertigt. Dank einer Leihgabe aus der Privatsammlung im Gerhard Richter Archiv, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, kann dieser vierteilige Zyklus mit jeweils 200x260 Zentimeter großen Bildern in der vom Künstler veranlassten Fotofassung nun in Augsburg betrachtet werden.

Ein umfangreiches Begleitprogramm soll zudem Zugangsmöglichkeiten zu dem bis heute kontrovers diskutierten Versuch eröffnen, den Holocaust künstlerisch darzustellen und darüber in angemessener Weise zu sprechen. Dazu gibt es spezielle Führungen und unter anderem am 24. Januar einen Studiennachmittag unter dem Titel "Verzeihung des Unverzeihlichen?" mit der Professorin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz. Zwar ist die Ausstellung bis 2. Februar zu sehen, allerdings gibt es zuvor in zeitlicher Nähe zum Gedenktag am 26. Januar im Diözesanmuseum St. Afra eine vorgezogene öffentliche Finissage. Diese werde mitgestaltet von dem in Augsburg lebenden jüdischen Kantor Nicola David.