Versonnen betrachtet Waltraut Krause eine alte 50-Pfennig-Münze aus D-Mark-Zeiten in ihrer Hand. Das Geldstück ziert eine kniende Frau, die eine Eiche pflanzt. Die heute 86-jährige Waltraut Krause war ab 1949 eine von Tausenden "Kulturfrauen", an die die Münze erinnern sollte. Denn ohne diese Frauen gäbe es vermutlich in Norddeutschland keine großen Wälder mehr.

Drei Frühjahre lang pflanzte Waltraut Krause täglich Hunderte zarter Setzlinge in den Boden, um die Wälder wieder aufzuforsten. "Baumweg" heißt das Waldstück bei Cloppenburg, das dank ihr und ihrer Kolleginnen heute wieder seinen Namen zu Recht trägt. Harte Arbeit bei Wind und Wetter, die in den Rücken ging: "Dafür bekamen wir etwa 35 bis 55 Pfennig die Stunde", sagt sie. Also nach heutiger Währung etwa 18 bis 28 Cent.

Rücksichtslose Rodung der Wälder

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand es schlecht um die Wälder in Deutschland. Erst rodeten die Nazis ohne Rücksicht auf Verluste riesige Flächen, um Rohstoffe für die Rüstungsindustrie zu gewinnen. Weitere Flächen gingen durch die Kämpfe in den Wäldern verloren. Nach dem Krieg wurde Holz dringend für den Wiederaufbau und in den kalten Nachkriegswintern auch zum Heizen benötigt. Mit einer modernen nachhaltigen Forstwirtschaft, bei der nur so viel Holz geerntet werden darf wie neu aufgeforstet wird, hatte das nichts zu tun, sagt Rainer Städing von den Niedersächsischen Landesforsten.

Auch England, die Niederlande und Belgien holten riesige Mengen Holz als Reparationszahlung aus den Wäldern. Ende der 1940er-Jahre lagen nach Angaben der Landesforsten allein in Niedersachsen etwa 140.000 Hektar früherer Waldflächen gerodet und völlig kahl danieder. Das entspricht der Fläche von fast 200.000 Fußballfeldern.

Niedersachsen war mit seinen Fichten- und Kieferwäldern im Solling, im Harz, in der Heide und im Weser-Ems-Gebiet besonders von den Kahlschlägen betroffen. In den Nachkriegsjahren pflanzten junge Frauen dort nach und nach rund 24 Millionen Setzlinge. "Ohne die Kulturfrauen, die ›Trümmerfrauen des Waldes‹, gäbe es wahrscheinlich den Wald, wie wir ihn heute kennen, nicht", sagte der Präsident der Niedersächsischen Landesforsten, Klaus Merker, jüngst bei einer Feierstunde für die Frauen.

"Wir haben in Ahlhorn bei Cloppenburg vor allem Douglasien gepflanzt, keine Eichen", erinnert sich Waltraut Krause. Jeden Morgen fuhr sie mit dem Fahrrad eine halbe Stunde weit in den Wald hinein zur Arbeit, auf dem Gepäckträger Verpflegung für den Tag und einen Mantel für schlechtes Wetter.

"Wir Frauen machten die Bückarbeit"

"Meistens haben wir zu zweit gearbeitet: Ein Mann ging mit einem schmalen Spaten vorweg und machte in schnurgeraden Linien Löcher in den Boden. Wir Frauen mussten dann die mühselige Bückarbeit machen." Die Setzlinge wurden in die Vertiefung gelegt und mit dem Fuß vorsichtig festgetreten. Pro Stunde wurden so rund 50 neue Bäume gepflanzt. Die jungen Pflanzen trug sie dabei in einer Kiste. "Irgendjemand hat mir einen alten Kleiderbügel als Griff da dran geschraubt."

Jeder in der Familie musste damals etwas zum Familienunterhalt beitragen. Waltraut Krause war mit ihren Eltern am 3. März 1945 vor der anrückenden Roten Armee aus Pommern nach Cloppenburg geflohen. Der Vater hatte zwei Pferde gerettet und zog damit für die Holzhändler die gekauften Stämme aus dem Wald. Die damals 18-Jährige half zunächst im Haushalt eines "Haumeisters", eines Vorarbeiters für die Waldarbeiter. "Da musste ich zweimal die Woche Wäsche waschen - für eine Familie mit elf Kindern."

Heute lebt die frühere Kulturfrau in Edewecht bei Oldenburg bei ihrer Familie. Ihr Vater erhielt 1953 dort im Losverfahren ein Stück Moor zur Kultivierung. Zu ihren direkten Kolleginnen von damals hat sie keinen Kontakt mehr. "Die meisten sind wohl inzwischen gestorben." In der vergangenen Woche wurden Frauen wie Waltraut Krause im ganzen Bundesland für ihren Einsatz geehrt. Als Dankeschön erhielten sie eine Medaille mit dem Bild der Kulturfrau von der alten 50-Pfennig-Münze.