Die Händler sind sich untereinander einig: Der Münchner Viktualienmarkt hat es verdient, zum immateriellen Kulturerbe gezählt zu werden. Das erklärt Elke C. Fett, Vorsitzende der Interessensgemeinschaft der Händler und damit Sprecherin für 80 der insgesamt rund 140 Standbesitzer. Seit 25 Jahren verkauft Fett an ihrem Stand Potpourris, Naturdüfte und Meersalze mit ätherischen Ölen. Ihren Stand "Duftschmankerl" kann kein Besucher übersehen. Hinter den glitzernden Schutzengeln, den bunten Dufttütchen und den blumen- und schleifenverzierten Kränzen, ist die Standbesitzerin kaum zu finden.

Da Elke C. Fett von der Einzigartigkeit des Viktualienmarktes von der ersten Sekunde an fasziniert war, engagierte sie sich dafür, ihren Lieblingsort als immaterielles Kulturerbe einschreiben zu lassen. Sie möchte damit den Erhaltungswert des Viktualienmarktes in den Köpfen der Menschen und auch in den der Politiker manifestieren. Ausgangspunkt für ihr Engagement war die geplante Sanierung des Marktgeländes. Viele Händler fürchteten damals, dass damit Identität und Charakter des Marktes verlorengehen könnten. Seitdem das Herzstück der Stadt nun zum immateriellen Kulturerbe erklärt wurde, erhofft sich Elke C. Fett eine "sanfte Sanierung", die den Erhalt der heimischen Atmosphäre gewährleistet.

Geschichte des Viktualienmarktes in München

Der Viktualienmarkt ist für viele Bewohner Münchens ein 22.000 Quadratmeter großes Stück Heimat. Hier wird die Münchner Kultur tagtäglich gelebt. So können Besucher die Brauertage miterleben oder am Faschingsdienstag den Tanz der Marktfrauen betrachten. Bis zu acht Millionen Besucher im Jahr schlendern über den Markt.

Auf dem größten Freiluftmarkt Deutschlands verkaufen Händler so gut wie alles: Es gibt Obst und Gemüse, Pferdefleisch, ungarische, orientalische oder argentinische Feinkost. Der Markt, der sich ursprünglich an der Mariensäule am Marienplatz befand, zog nach "allerhöchster Entschließung" durch König Max I. Josephs am 2. Mai 1807 auf den Hof des Heiliggeistspitals. In den Jahren 1823-1829 wurde der Markt bereits erweitert.

Später kamen ein Pavillon für den Obstverkauf hinzu, eine Bankmetzgerhalle, Brotverkaufsläden, eine Halle für den Verkauf von Kutteln, Ladenbauten und eine eigene Halle der Nordseefischerei. Nachdem die Schrannenhalle 1932 abrannte, entstand 2005 die neue Großmarkthalle. Während des Zweiten Weltkriegs erlitt der Marktplatz großen Schaden. Viele sprachen davon, den Markt aufzugeben, aber die Stadtverwaltung steckte erhebliche finanzielle Mittel in ihn, um den Erhalt zu gewährleisten.

Händler schätzen den Viktualienmarkt

Händlerin Elke C. Fett kann sich keinen besseren Beruf vorstellen: "Im nächsten Leben werde ich gleich nach der Schule Marktfrau, ohne Umwege, auf meinem Viktualienmarkt." Jeden Tag sei sie aufs Neue begeistert von der Vielfalt der Menschen und den Geschichten, die sie erzählen. Sie bezeichnet sich selbst als "Glückspilz", ein Teil des Viktualienmarktes zu sein.

Auch Susanne Hofmann, Besitzerin des Tölzer Kasladens "Mein Affineur", mag die Atmosphäre auf dem Markt. Morgens lauscht sie den Standaufbauern des Biergartens, die während ihrer Arbeit singen und pfeifen. Für Hofmann, die den Markt schon seit ihrer Kindheit kennt, ist der Ort ein ganz persönliches Stück Heimat: "So etwas Schönes finden Sie ganz, ganz selten", sagt die Händlerin. Hofmann erzählt aber auch von den Schwierigkeiten der Händler: Immer weniger Leute kämen mit einer Einkauftasche vorbei. Offenbar sei der Markt für viele Menschen nur noch eine Sehenswürdigkeit. 

Alexander Katzer, den Inhaber des Fränkischen Wursthäusles, beobachtet ebenfalls den Wandel des Marktgeschehens. Ihm zufolge fehlen vor allem die jungen Menschen. Katzer vermutet, dass dies auch an der Digitalisierung liegt: So seien nur wenige der Stände auf Plattformen wie Instagram oder Twitter vertreten. Dennoch bleibt Katzer der Überzeugung: "Der Viktualienmarkt hat ein ganz besonderes Feeling". Viele andere Märkte hätten "kein Leben, kein Gefühl". Schließlich gebe es kaum einen Markt, bei dem man kurz zum Biergarten hinübergehen könne, um mit den Kollegen ein Bier zu genießen.

Immaterielles Kulturerbe in Bayern

"Als Immaterielles Kulturerbe gelten gemäß der UNESCO-Konvention mündlich überlieferte Traditionen, gesellschaftliche Bräuche und Feste sowie darstellende Künste und traditionelle Handwerkstechniken.", so das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.

Die Markttradition des Münchner Viktualienmarkt als Handelsbrauch gehört seit 2017 zum immateriellen Kulturerbe in Bayern. Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst begründete seine Entscheidung damit, dass der Münchner Viktualienmarkt für viele Münchner nahezu "selbstverständlich zum Alltag gehört und sich als identitätsstiftend erweist." Seit Generationen würden es die Händler verstehen, geschickt auf ihre Kundschaft einzugehen und ihre Waren zu verhandeln.

Senfstand Viktualienmarkt
Die Feinkost Manufaktur "Münchner Kindl" ist seit 2011 auf dem Viktualienmarkt vertreten.
Maibaum Viktualienmarkt
Seit Mai 2017 steht auf dem Viktualienmarkt der über 30 Meter hohe Maibaum. Es ist bereits der 13. Maibaum, der als neues (und altes) Wahrzeichen des Viktualienmarktes dienen soll.
Viktualienmarkt
Der Stand "Duftschmankerl" von Elke C. Fett verkauft Potpourris, Naturdüfte und Meersalze mit ätherischen Ölen.
Biergarten Viktualienmarkt
Bei gutem Wetter ist der Münchner Viktualienmarkt ein beliebter Treffpunkt, doch in Zeiten von Corona sollten die Leute daheimbleiben.