Claus Ebeling hat eine Mission. Und sie ist immer dann erfüllt, wenn die Besucher mit leuchtenden Augen aus seinem Gottesdienst kommen. Das gelingt dem evangelischen Pfarrer von Lichtenau bei Ansbach besonders gut, wenn er redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Also fränkisch. Ebeling spricht einen hübschen, melodischen mittelfränkischen Singsang. Zusammen mit der sonoren Stimme erzeugt das beim Zuhörer ein Gefühl des Ankommens. "Wir müssen öfters mal weg vom Kirchensprech", sagt er. Seine Lösung: Dialekt. "Damit ist man nah dran an den Leuten." Mit sechs Mitstreitern hat er einen "Fränkischen Psalter" herausgegeben.

"As fränggische Gsangsbuch" steht auf dem farbenfrohen Din-A4-Heft, das der "Arbeitskreis Mundart in der Kirche" herausgegeben hat. Darin finden sich 23 biblische Psalmen und 44 Lieder in fränkischer Mundart. Verfasst sind die Texte in einer Art Hochfränkisch, einem gemeinsamen sprachlichen Nenner, den die meisten Franken vom Fichtelgebirge bis zum Brombachsee, von Coburg bis Nürnberg mittragen können. "Jeder Franke kann das, was wir schriftlich festgehalten haben, problemlos in seinem Sprachduktus singen und sagen", erläutert Ebeling. Also: Fast jeder jedenfalls, mit Ausnahme einiger Mundartler in Unterfranken.

"Halt fei zu mir guder Gott, heit in ganzn Tooch"

Ebeling weiß, dass Dialekt in der Kirche ein Reizthema ist. Es gibt viele, die absolut gar nichts damit anfangen können. Denen das, was in der Kirche gesungen und gesagt wird, zu heilig ist - und sie deswegen lieber ins vermeintliche Hochdeutsch wechseln. Von offizieller Kirchenseite gibt es für den Arbeitskreis Mundart deshalb auch seit seiner Gründung vor mehr als 20 Jahren wenig Anerkennung und Unterstützung. Ebeling ist seit mehr als zehn Jahren dabei. Für die Kritiker hat er Verständnis: "In der Kirche geht nicht alles im Dialekt. Einen Gregorianischen Introitus in Mundart zu singen, das käme mir nicht in den Sinn. Das passt nicht."

Aber für vieles andere, für die Gebete, die Lieder, ja auch die Predigt passt Dialekt sogar wunderbar, findet der stellvertretende Dekan von Windsbach. "Es berührt die Menschen mehr, wenn sie in ihrer wirklichen Muttersprache beten und singen können, wenn sie darin eine Predigt hören", sagt Ebeling. Die Kirche müsse diesen Wunsch ernstnehmen und respektieren: "Da sitzen kluge Leute in den Mundart-Gottesdiensten, die studiert haben, beruflich - auf Hochdeutsch! - erfolgreich sind, und die nach der Kirche total ergriffen sind und Sätze sagen wie: 'Endlich hab' ich mal alles verstanden!' Das darf man nicht einfach so abbügeln."

Psalm 23 und Lied auf Fränkisch

Viel Arbeit haben er und seine sechs Mitstreiter Hermann Brunner, Hans Pfähler, Gertraud Koch, Fritz Rückert, Hans-Georg Koch sowie Albert Trommer in das Büchlein gesteckt. "Es sollte etwas Schönes sein, etwas, das man gerne in die Hand nimmt und durchblättert", erzählt der Pfarrer aus Lichtenau. Anstatt weißer Blätter ist es ein Vollfarbdruck geworden. Jede Doppelseite ist mit einem anderen kunstvollen Rahmen aus einer mittelalterlichen Psalter-Handschrift verziert, das Gros hat sich Ebeling aus dem lizenzfreien Bestand der British Library geholt. Die Rückseite jedoch schmückt ein Organist aus den Nürnberger Hausbüchern.

Fränkisch, aber kein "Gschmarri"

Das Ziel der Macher: eine liturgische Handreichung für Gottesdienste in Mundart und für das häusliche Studium. Oder aber: Um einen ansonsten hochdeutschen Gottesdienst mit einem fränkischen "Vadderunser", einer Dialekt-Fassung bekannter Weihnachtslieder wie "Vom Himmel droom, do kumm i her" oder auch einem eingefränkischten Neuen Geistlichen Lied wie "Halt fei zu mir guder Gott" zu bereichen. Was für Außenstehende und vor allem für Nicht-Franken zunächst durchaus absurd oder albern klingen mag - für Claus Ebeling und andere Mundart-Verfechter ist es das nicht: "Nur weil's aaf Fränggisch is, derfs kaa Gschmarri sei!"

Vom "Fränkischen Psalter" haben Ebeling und sein Team 4.000 Stück drucken lassen, die ersten Dekanate und Chöre haben schon ganze Sätze bei ihm bestellt. Einen Zuschuss für den Druck gab's zwar nicht von der Landeskirche - dafür allerdings von der Ansbach-Würzburger Regionalbischöfin Gisela Bornowski. "Obwohl sie schon auch skeptisch ist, was Dialekt im Gottesdienst angeht", sagt Ebeling. Mit dem Psalter hofft er, Kritiker zu überzeugen, dass Dialekt und Kirche doch ganz gut zusammenpassen. Offiziell vorgestellt wird "As fränggische Gangsbuch" in der Lichtenauer Dreieinigkeitskirche am 9. Dezember ab 9.30 Uhr.

 

Der Arbeitskreis Mundart in der Kirche

Der Arbeitskreis Mundart in der Kirche wurde 1992 in Rückersdorf bei Nürnberg gegründet - im Anschluss an die Tagung der Landessynode der Landeskirche in Rothenburg zum Thema "Spiritualität". Ziel ist der Erfahrungsaustausch von Mundart-Schaffenden in den christlichen Kirchen sowie die Fortbildung von christlichen Mundart-Autoren und Mundart-Sprechenden bei den regelmäßigen Studientagen.

Mitglieder des Arbeitskreises bieten in den Gemeinden, die sie einladen, öffentliche Mundart-Veranstaltungen an. Die Sektion Franken lädt zum Beispiel seit dem Jahr 2009 jährlich in Puschendorf bei Fürth zu einem "Fränkischen Abend" ein - immer am 2. Juli, dem Tag der Franken. Der Arbeitskreis ist unterteilt in die Regionen Franken, Baden, Oberpfalz, Platt und Schwaben, der Schwerpunkt liegt aber in Franken.

Der Arbeitskreis ist kein offizielles Organ der bayerischen Landeskirche, angedockt ist er seit knapp zwei Jahren beim Verein der Evangelischen Bildungszentren (EBZ) in Pappenheim bei der Evangelischen Landjugend (ELJ). Auch finanziell wird der Arbeitskreis von der Kirche bislang nicht oder nur für einzelne Projekte unterstützt.