In Pfarrhäusern lassen sich die Auswirkungen des reformatorischen Leitsatzes "Ecclesia semper reformanda" konkret beobachten. Die Kirche ist immer im Wandel, das gilt für das Auftreten, die Funktion, das Amtsverständnis und die Alimentierung der Pfarrer – und für alle anderen, die in einem Pfarrhaus leben und arbeiten. In der neuen Ausstellung "Nicht Dorfhaus und nicht Villa" spürt das Museum Kirche in Franken in Bad Windsheim der 500-jährigen Geschichte evangelischer Pfarrhäuser in Franken nach. Baulich, kulturhistorisch und menschelnd. Eröffnet wird an diesem Samstag, 3. Juni.

Die Schau ist zweigeteilt. Während in der Betzmannsdorfer Scheune (Baugruppe Stadt des Fränkischen Freilandmuseums) der Fokus auf das Gebäude an sich gerichtet wird, steht im Spitalmuseum der "Mikrokosmos evangelisches Pfarrhaus" im Zentrum, also Leben und Alltag der Bewohner, erläutert Museums-Chefin Andrea K. Thurnwald. Die Analyse der Gebäude spendierte der Ausstellung ihren Titel – denn genau das war das Ergebnis: Normale Dorfhäuser waren die Pfarrhäuser nicht. Sie waren meist zweigeschossig, der Tierstall selten mit im Haus, es gab oft extra Kinderzimmer, eine eigene Badstube – und vor allem mehrere beheizbare Räume.

Zusammenhalt über Dorfgrenzen

 Kurzum: Die Häuser mussten einen gewissen Repräsentationscharakter haben, schließlich waren evangelische Pfarrer oft nicht nur Vertreter der Kirche und die einzigen Studierten am Ort, sondern eben auch Vertreter der staatlichen Obrigkeit, etwa des Ansbacher Markgrafen. Viele Pfarrhäuser verfügten über eine gute Stube für den meist spontanen hohen Besuch von Dekanen oder Vertretern des Adels. "Man kann nur in wenigen Fällen von Villen sprechen", sagt Historikerin Susanne Grasser, die maßgeblich an der Ausstellung beteiligt war. Wie genau das Haus aussah, das hing vor allem von der finanziellen Ausstattung einer Pfarrstelle ab.

Mindestens bis zum Protestantenedikt von 1818 – und häufig noch darüber hinaus – war das Auskommen eines Pfarrers davon abhängig, welche Pfründe eine Gemeinde besaß. Nicht selten mussten Pfarrer in kleineren Dorfgemeinden nebenbei noch Landwirtschaft betreiben, um über die Runden zu kommen. Von der finanziellen Lage hing auch der Habitus des Ortspfarrers ab. In reicheren Gemeinden seien Pfarrer regelrechte Pfarrherren gewesen, erläutert Grasser. Ganz egal, wie arm oder reich Pfarrer waren: Sie galten als Respektspersonen. Das hatte aus sozialer Sicht nicht nur Vorteile. "Zur Dorfgemeinschaft gehörten sie nur selten richtig mit dazu – und viele wollten es auch gar nicht."

Ärzte, Apotheker, Lehrer - und Pfarrer

Zugespitzt hieß das: Wenn der Pfarrer vor Ort Freunde hatte, dann waren das in der Regel die Ärzte und Apotheker, manchmal auch noch die Lehrer – akademische Berufsgruppen gab es fast nur in großen Marktflecken oder Städten. Und gerade mit den Lehrern hatten Pfarrer oft auch Zoff. Denn bis ins 19. Jahrhundert hinein waren sie vielerorts für die Schulaufsicht zuständig, also Vorgesetzte der Lehrer. Viele Pfarrer hatten nur Freunde in anderen Pfarrhäusern.

Leihgaben sind alte Fotos oder Mobiliar aus Pfarrhäusern, Tagebücher, Briefe und Zeitzeugen-Aussagen. "Man soll den Bewohnern des Pfarrhauses in der Ausstellung begegnen können", sagt Museumsleiterin Thurnwald. Dafür sorgen auch Audio-Stationen mit Erzählungen von Pfarrerskindern, -frauen und Dienstmädchen. Die Ausstellung greift auch die NS-Zeit auf und die jahrelange Nicht-Versorgung von Pfarrwitwen, die früher oftmals schwerer Armut anheimfielen.

Die Schau ist bis 17. Dezember 2017 zu sehen. Ein Begleitband enthält neben zahlreichen Aufsätzen auch kurze Porträts zu 130 fränkischen Pfarrhäusern.

Veranstaltungsprogramm Pfarrhäuser in Franken

Vortrag

19.09.17: Prof. Dr. Konrad Bedal: Der Pfarrhausbau in Franken vom späten Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert
Zeit und Ort: 19.00, Kräuter-Apotheke, Baugruppe Stadt, Eintritt frei

Kuratorenführungen durch die Ausstellung

So 17.09.17, Di 03.10.17 und Di 31.10.17, jeweils 11.00 in der Betzmannsdorfer Scheune (Treffpunkt Hauptkasse) und 14.30 im Museum Kirche in Franken (Treffpunkt Spitalkirche).

Exkursionen

Wir laden ein, einige fränkische Pfarrhäuser gemeinsam mit uns vor Ort zu besuchen. In zwei Bustouren werden Gebäude aus vier Jahrhunderten in Augenschein genommen, v. a. ihre architektonischen und bauhistorischen Besonderheiten.
Exkursion 1 (Landkreise NEA, AN, FÜ, RH): Sa 09.09.17
Exkursion 2 (Landkreise NEA, AN, WUG): Sa 21.10.17
Abfahrt: jeweils um 9.00 Treffpunkt: Museumsparkplatz
Gebühr: je 25 € (incl. Bus u. "Reiseleitung", nicht enthalten sind alle Speisen u. Getränke, u. a. bei gemeinsamer Einkehr)
Voranmeldung erforderlich unter Tel. 09841/66800 (jeweils max. 20–25 Teilnehmer)

Zeitzeugencafé

Zeitzeugeninterviews bilden eine wichtige Grundlage der aktuellen Ausstellung. Im "Zeitzeugencafé" berichten Pfarrer, Pfarrfrauen und Pfarrerskinder von ihrem Leben in verschiedenen fränkischen Pfarrhäusern der letzten Jahrzehnte. Zugleich soll das moderierte Gespräch Ausgangspunkt für einen möglichst lebhaften Austausch sein, d. h. alle sind eingeladen mitzudiskutieren!
Zeit: Fr 22.09.17, 19.00
Ort: Museum Kirche in Franken, Spitalkirche, Eintritt frei

Filmabend

Gezeigt wird Michael Hanekes preisgekröntes Meisterwerk "Das weiße Band". Der Film zeichnet das Bild einer vom sittenstrengen Protestantismus geprägten Gesellschaft um 1913/14 in Norddeutschland.
Zeit: Mi 11.10.17, 19.00
Ort: Museum Kirche in Franken, Spitalkirche, Eintritt frei

Podiumsdiskussion

Das evangelische Pfarrhaus blickt auf eine 500-jährige Vergangenheit zurück, die Zukunft scheint dagegen ungewiss. Verantwortliche erörtern theologische und kirchenpolitische Aspekte und zeigen aktuelle Tendenzen auf. Teilnehmer: Regionalbischöfin Gisela Bornowski, Prof. Dr. Klaus Raschzok (Augustana Neuensdettelsau), PD Dr. Christian Eyselein (Pastoralkolleg, Pfarrverwalterausbildung), Dekanin Karin Hüttel, Dr. Andrea Thurnwald, Moderation: Dr. Ulrike Schorn
Zeit: Do 16.11.17, 19.30
Ort: Kräuter-Apotheke, Baugruppe Stadt, Eintritt frei

Quellen-/ Schriftkurs

Baupläne und Rechnungen, aber auch Tagebücher und Briefe waren wertvolle Quellen unserer Forschungen über evangelische Pfarrhäuser. Nun geben wir Ihnen Gelegenheit, selbst einige dieser Quellen zu studieren. Die deutsche Kurrentschrift ("Sütterlin") erschwert häufig den Zugang. Wir bieten Anleitung beim Lesen der alten Schriften, egal ob Sie dies neu lernen oder Kenntnisse auffrischen wollen. (Leitung: Dr. Susanne Grosser u./od. Simon Kotter M.A.)
Zeit: Mi 22.11.17 und Mi 29.11.17, jeweils 18–21.00
Ort: Vortragsraum Aumühle
Kursgebühr: 39€, Voranmeldung erforderlich (max. 25 Teilnehmer)

Wissenschaftliche Tagung

Eine wissenschaftliche Tagung widmet sich speziell dem Bauwerk Pfarrhaus. Namhafte Referenten bieten einen überregionalen Einblick in das Phänomen Pfarrhaus.
Zeit: Fr/Sa 17.11.17 u. 18.11.17 (Tagungsprogramm und –ort auf der Homepage des Freilandmuseums)
Tagungsgebühr: 80 € / 40 € ermäßigt
Voranmeldung erforderlich

Evangelische Pfarrhäuser in Franken:

Daten und Fakten zur Ausstellung

Öffnungszeiten der Ausstellung
5.3. – 28.10.17: 9 – 18.00
29.10. – 17.12.17: 10 – 16.00

Eintrittspreise
Erwachsene € 7,–  
Kinder unter 6 Jahren frei
Schüler, Studenten, Azubis, Freiwilligendienste, Schwerbehinderte, Kur- und Gästepassinhaber € 6,–
Familienkarte (2 Erwachsene u. minderjährige Kinder) € 17,– €
Teilfamilienkarte (1 Erwachsener u. minderjährige Kinder) € 10,–
Gruppen ab 12 Personen; pro Person € 6,–
Schulklassen pro Schüler/in € 3,–

Kontakt
Fränkisches Freilandmuseum und Museum Kirche in Franken
Eisweiherweg 1 · 91438 Bad Windsheim
Tel. 09841/66800 · Fax 09841/668099
Tel. Museum Kirche in Franken 09841/401858 (Kasse)
info@freilandmuseum.de / www.freilandmuseum.de