Die Wiedertäufer forderten die Glaubenstaufe, also die Erwachsenentaufe, und das hieß - da damals alle Menschen als Säuglinge schon getauft waren - die Wiedertaufe. Dabei ging es also nicht nur um eine Frage der Taufpraxis, nämlich das Taufalter, sondern um die grundsätzliche theologische Frage nach dem Sinn und der Wirkung der Taufe überhaupt und der Möglichkeit ihrer Wiederholung.

Die sogenannten Taufgesinnten beriefen sich auf Markus 16,16: "Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden...". Sie stellten die Kindertaufe in Frage, weil der Glaube zwangsläufig fehlte, und forderten die erneute Taufe für alle Glaubenden. Sie beriefen sich auch auf Luther, der ja die Wichtigkeit des Glaubens für den Empfang der Sakramente zum Heil selbst so stark betont hatte. Sie sahen sich hier als Vollender der Reformation, ähnlich wie Zwingli in der Abendmahlslehre.

Die Argumentation der Taufgesinnten war für viele Menschen damals einleuchtend - und ist es bis zum heutigen Tage geblieben -, wurde aber gleichwohl entschieden von allen Großkirchen abgelehnt, von der römisch-katholischen ebenso wie von der evangelisch-lutherischen und der reformierten Kirche. Die Wiedertäufer wurden verfolgt und vertrieben, viele wurden hingerichtet. Teile dieser Bewegung haben gleichwohl bis heute überlebt, z.B. die Mennoniten und vor allem die Baptisten, deren Name direkt auf die Taufe hinweist. Die schroffe Ablehnung hatte ihren Grund auch darin, dass mit der Täuferbewegung auch teilweise revolutionäre gesellschaftliche Veränderungen und Forderungen verbunden waren (vgl. das Reich Christi zu Münster!) und sie in der Konsequenz zur Auflösung der Volkskirche führen musste.

Luther hat die Wiedertaufe scharf und entschieden abgelehnt. Seine Gründe entfaltete er im Jahr 1528 in dem "Brief an zwei Pfarrherren", die ihn deswegen gefragt hatten. Dabei widerlegt er zunächst die Argumente der Täufer gegen die Kindertaufe und legt dann seine Argumente für die Kindertaufe dar.

Luther nimmt die Gefahr, die von den Täufern droht, sehr ernst. Er sieht in ihnen ebenso das Wirken des Antichristen wie im Papsttum. Die Täufer sind für ihn gleichsam die falsche, überschießende Antwort auf die Papstkirche. Sie fallen aus seiner Sicht von einem Extrem in das andere.

Die Argumente der Wiedertäufer und Luthers Argumente für die Kindertaufe:

  • "Die Kinder wissen nichts von ihrer Taufe": Luther nennt das einen "windigen faulen Grund". Denn wir kennen viele Dinge, die wir nicht bewusst erlebt haben, und müssen sie doch vertrauend wahr sein lassen.
  • "Zuerst Glaube, dann die Taufe": Auch das führt in die Irre, denn dann baut ja die Taufe auf den Glauben. Glauben wir aber genug? Luther sieht es als falsch und gefährlich, die Taufe auf den persönlichen Glauben zu gründen.
  • "Kinder können nicht glauben": Luther erwidert: Doch, sie können es und beruft sich auf die Art, wie Jesus die Kinder als Vorbilder des Glaubens hinstellte, sowie auf das Kinderevangelium Mk 10,14. Luther sagt, er sei "noch nicht da, dass ich der Kinder Glauben beweise", sondern den Irrtum der Wiedertäufer.
  • "Christus kannte keine Kindertaufe": Luther verweist auf die sogenannten Hausformeln, in denen es heißt "er/sie ließ sich taufen mit seinem ganzen Hause" (Apg 10,48; 16, 15,33).
  • "Die Taufe ist nichts, weil der Priester oder Täufer nicht geglaubt hat": Sie wiederholen damit den Irrtum der Donatisten, die Gültigkeit des Sakraments von der Würdigkeit des Pfarrers abhängig zu machen. Luther weist das ab mit dem Hinweis darauf, dass sich Gott auch sündiger Menschen bedienen kann: "Es ist keine geringe Gnade, dass Gott sein Wort auch durch böse Buben und Gottlose gibt".

Die Taufe trägt den Glauben

Selbst wenn die Kinder bei der Taufe nicht glauben sollten, hält Luther an der Kindertaufe fest. Mit einem starken Argument gibt er zu bedenken: Wenn der Unglaube die Taufe in Frage stellen würde, müsste ich mich jedes Mal neu taufen lassen, wenn ich aus dem Glauben falle. Ich käme aus dem Taufen gar nicht mehr heraus. Wer die Taufe so vom Glauben abhängig macht wie die Wiedertäufer, der "muss sich kurzum so lange taufen lassen, bis er nimmermehr fallen oder ohne Glauben sein kann". Luther deckt hierdurch die heimliche Werkerei auf, die hinter den Einwänden der Täufer steckt: Ich muss durch meinen Glauben die Taufe gültig machen. Damit ist der Mensch auf sich selbst und seine Glaubensleistung zurückgeworfen.

Luther kommt zum Schluss: "Wahr ist, dass man zur Taufe glauben soll. Aber auf den Glauben soll man sich nicht taufen lassen. Es ist ein völlig ander Ding, den Glauben haben und sich auf den Glauben verlassen und so sich darauf taufen lassen". Modern ausgedrückt: Die Taufe trägt den Glauben, aber nicht der Glaube die Taufe. Luther sagt: "An der Taufe fehlet nichts, am Glauben fehlt es immerdar, denn wir haben an dem Glauben unser Leben lang zu lernen. Und er kann fallen, dass man sagt: Siehe, da ist Glaube gewesen und ist nicht mehr da. Aber von der Taufe kann man nicht sagen: Siehe, da ist Taufe gewesen, und ist nun nicht mehr Taufe.". Die Taufe bleibt, der Glaube ist "wankelbar und wandelbar". Luther rät daher seinen Gegnern polemisch, sie sollten nicht eine Wiedertaufe, sondern einen "Wiederglauben" anrichten.

Die Taufe geht unserem Glauben voraus, nicht immer zeitlich, wohl aber sachlich. So sehr Luther recht hatte mit seinem Festhalten an der Kindertaufe, es bleiben doch Fragen an ihn und seine Begründungen, sowie ein gewisses Unbehagen, was seine Heftigkeit bei der Ablehnung der Wiedertäufer betrifft.

Dossier

Taufe & Patenamt

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Merkwürdig ist die Tatsache, dass Luther ein Argument für die Kindertaufe nicht benützt: Gerade die Kindertaufe ist das besonders klare Zeichen für die zuvorkommende, voraussetzungslose Gnade Gottes. Aber es gilt eben auch: Die Taufe ist dem Menschen gegeben, damit er sie im Glauben ergreift, bejaht, bekennt, dafür dankt und aus ihr lebt. Hier ist an das gewichtige Wort am Ende des Markusevangeliums zu erinnern: "Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden." Das hat Luther selbst in seinen frühen Schriften zur Taufe stark herausgestellt und betont. Und damit kommt er in der Auseinandersetzung mit den Wiedertäufern in ein Dilemma. Sie halten ihm genau dies vor:

Wo bleibt bei der Kindertaufe der persönliche Glaube des Getauften?

Diese Anfrage ist berechtigt. Hier wäre - bis in den Tonfall hinein - mehr Verständnis, mehr Sympathie und Einfühlungsvermögen von Luther zu erwarten gewesen. Die Wiedertäufer waren nicht die Diener des Antichristen, sondern ernste Christen, die sich hier in einer Sackgasse gefangen hatten. Sie wollten den Glauben des Christen bei der Taufe ernst nehmen, sie hatten hier ein Problem entdeckt und wollten es auf ihre Weise lösen.

Luther geriet hier in einen Zwiespalt: Einerseits musste er von seinem Ansatz her gegen Rom festhalten: "Der Glaube muss vor oder je in der Taufe da sein, sonst wird das Kind nicht los von Teufel und Sünden". Andererseits schreibt Luther gegen die Wiedertäufer: "Wenn das Wort beim Wasser ist, so ist die Taufe recht, ob schon der Glaube nicht dazu kommt". Luther lässt sich in der Polemik gegen die Wiedertäufer zu gefährlichen Konsequenzen treiben.

Ein Versuch Luthers, mit diesem Dilemma fertig zu werden, war die Behauptung des Kinderglaubens in der Taufe. Dass Luther hier aber seiner Sache nicht sicher war, sieht man daraus, dass er im Laufe seines Lebens seine Meinung mehrfach änderte und den Kinderglauben nicht immer lehrte.

Gerade deswegen hätte man erwarten dürfen, dass Luther das Anliegen der Wiedertäufer ernster genommen hätte. Die "Taufgesinnten" wenden mit Recht ein: Die unmündigen Kinder (Säuglinge, in aller Regel am zweiten Tag ihres Lebens zur Taufe gebracht!) können nicht glauben, denn sie können nicht hören und haben keine Vernunft. Weil das Hören des Wortes Gottes die unerlässliche - wenn auch nicht hinreichende - Bedingung für den Glauben ist, darum können unmündige Säuglinge nicht persönlich glauben. Dann aber ist - wegen der engen Verbindung von Sakrament und Glaube - die Säuglingstaufe keineswegs so selbstverständlich, wie Luther es darstellt.

Das Taufalter ist wohl aus gutem Grund in der Bibel nicht festgelegt. Die Säuglingstaufe erscheint im Zusammenhang mit einer nach menschlichem Ermessen zu erwartenden christlichen Erziehung und Hinführung zum Glauben gerechtfertigt zu sein. Sonst bleibt nur die Verkündigung des Evangeliums und die Einladung zur Glaubenstaufe. Diese ist vom Neuen Testament her eine ebenbürtige Möglichkeit. Denn Taufe und Glaube gehören - in welcher Reihenfolge auch immer - untrennbar zusammen.