Rundgang im Atelier

Das Atelier von Klaus von Gaffron in "Streitfeld", dem genossenschaftlich organisierten Atelier- und Wohnraum für Künstler, schaut genauso aus, wie man sich ein Künstler-Atelier so vorstellt. Angefangen mit dem obligatorischen Oberkörper einer Schaufensterpuppe auf der Fensterbank, welche einen divenhaften Gesichtsausdruck zur Schau stellt. Überall stehen und liegen die an Gemälde erinnernden Fotografien herum, mal in Rahmen, mal ohne, auf dem Boden, auf großen Metalltischen.

Auch an den Wänden hängen verschiedenfarbige Bildkompositionen. Dazwischen Fotos vom Künstler selbst, merkwürdig verfremdet durch indische Kleidung und Hüte oder Gaffron, bei offener Tür auf einem blauen Dixi-Klo sitzend. 

In der Mitte des Ateliers steht ein großer langer Holztisch mit Bänken drum herum, auf die wir uns hinsetzen. Am Rand eine riesige Schale mit Snickers, Milky Way und Mars, in der ab und an eine Hand nach dem Lieblingsriegel sucht. Von Gaffron, um die 70, geschätzt eher 80, sitzt am Tischende, mit Strohhut und langem weißen Bart. Der äußerliche Eindruck, dass es sich hier um einen kreativ tätigen Menschen handelt, wird verstärkt durch die goldenen Kreolen in seinen Ohren und die großen silbernen Ringe mit Edelsteinen an den kräftigen Händen, von denen einer aussieht wie ein Amethyst. Der andere schimmert grünlich durch die silbernen Streben des Ringes.

Lebenslauf - unangepasst, suchend

Klaus von Gaffron blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Geprägt ist es von Rauswürfen aus Schulen, dem Abbrechen von Ausbildungen und dem Finden des eigenen Platzes im künstlerischen Schaffen. Hier sitzt jemand, der den Konflikt nicht scheut, ihn vielleicht vielmehr sucht, sich streitbar gibt. Er hatte oft "keinen Bock mehr" wie er sagt. Nicht auf bestimmte, einengende Situationen in der Arbeitswelt und nicht auf manche Menschen. Dann ist er eben gegangen, unangepasst, suchend.

Seine Kunst hingegen wirkt auf der Oberfläche alles andere als streitbar. Seine Fotografien scheinen wie farbgetränkte Gemälde, beeinflusst durch das Spiel mit dem Licht, verschwommen, fast schon friedlich.

Wir stellen die schon fast erwartbare Frage: Warum Künstler? "Das passt einfach zu meiner Person", sagt von Gaffron. "So kann ich mich gut ausdrücken, Dinge bringen und reflektieren. Ich bin sehr glücklich, dass ich den Weg in die Kunst gefunden habe".

Nudel oder Grashalm

An einem komplett schwarzen Bild, das bei näherem Hinsehen einen weißen tränenförmigen Klecks sichtbar werden lässt, scheiden sich unsere Geister. "Was war das eigentlich, was sie da fotografiert haben", fragen wir Gaffron. "Was glauben Sie denn?" erwidert der Künstler und grinst verschmitzt. Es kommen Vorschläge, was es vielleicht gewesen sein könnte und Gaffron nickt zu allem. "Es kann alles gewesen sein", bestätigt er. "Ich weiß es nicht mehr". "Es kann also eine Nudel oder Grashalm gewesen sein" haken wir nach und Gaffron nickt. Wir können es uns aussuchen.

Zweifel an Gott - Religionen bringen keinen Frieden

"Ich zweifle total", antwortet Gaffron auf unsere Frage: Zweifeln Sie an Gott. Er glaubt auch nicht daran, dass Religionen die Welt friedlicher machen. "Ich bin vor mehr als 70 Jahren als evangelischer Junge nach Bayern gekommen", erzählt er lebhaft. "Ich durfte das katholische Mädchen, das neben uns wohnte, nicht kennenlernen, das wurde verboten. Und ähnliche Situationen gibt es heute auch".

Wir fragen nach Wundern in seinem Leben, aber nach eigener Ansicht hat es bei ihm keine gegeben. Außerdem wollen wir wissen, was denn sein größter Fehler war. Gaffron muss lachen. "Ich habe gelernt, dass alle Fehler, die ich gemacht habe, soweit ok waren".

Jetzt fragen wir ihn nach seiner Vorstellung von Geistern, die Frage kann man schließlich sehr weit interpretieren. Von Geistern der Vergangenheit bis zu Fantasie Gespenstern. "Witzig und spannend, wenn ich sie in komischen Filmen sehe und dann plötzlich blaues Licht auftaucht oder andere Dinge. Aber ansonsten berühren mich Geister eigentlich nicht", gibt uns Gaffron zur Antwort.

So lange arbeiten, wie es geht

Für die Zukunft wünscht er sich, dass alles so bleibt, wie es im Moment ist. Vor allem aber: "Dass ich so lange wie möglich meine Arbeit machen kann". Uns interessiert, was Herr von Gaffron noch lernen möchte. Da muss er nicht lange überlegen: "Ich möchte lernen, dass ich manche Menschen so akzeptieren kann, dass ich mir meinen Weg nicht selbst verbaue", sagt er. "Denn wenn mir potenzielle Käufer nicht gefallen, mag ich ihnen meine Bilder nicht geben". Da ist es wieder, dass Unangepasste, Kompromisslose. Auf die Frage nach seiner gegenwärtigen Geistesverfassung antwortet er: "Ist, glaube ich, noch in Ordnung".

 

Nachtrag:

Klaus von Gaffron ist am 27. September 2017 gestorben.