Ob Sierra Leone, New York oder Irland - das Schicksal von Kindern und Jugendlichen hat es dem Fotografen Toby Binder angetan. Im Münchner Haus für Eigenarbeit (HEI) zeigt er bis 6. Februar eine Ausstellung über Kinder mit Kriegsverletzungen, die von der Organisation Friedensdorf International nach Deutschland gebracht werden, um hier operiert zu werden.

"Ich habe die Kinder ein bis zwei Tage begleitet: Von der Ankunft am Flughafen in Deutschland über die Zeit im Krankenhaus bis zur Genesung im Friedensdorf", erzählt Binder. Die Kinder und Jugendlichen kommen überwiegend aus Afrika und Afghanistan und haben oft schwere Verletzungen, die in der Heimat nicht operiert werden können. Oft fehlen ihnen Hände oder Füße, weil sie auf Minen getreten sind. Mädchen leiden an Brandwunden oder an den Narben von Säureattacken.

Toby Binder dokumentiert Schicksal der Kinder aus Kriegsgebieten

"Die Kinder verlassen für die Operation oft zum ersten Mal ihre Heimat und sind dann für viele Monate ganz auf sich gestellt", erzählt Binder. Beim Fotografieren habe er bemerkt, wie unterschiedlich sie mit ihrem Schicksal umgehen. Ein afrikanischer Junge, den er begleitet habe, sei sehr schüchtern gewesen; ein afghanischer Junge habe innerhalb weniger Monate deutsch gesprochen und sei sehr neugierig und aufgeschlossen gewesen.

Toby Binder ist ein einfühlsamer Betrachter. Seine Fotografien zeigen die Kinder mit all ihren körperlichen Leiden, den Schmerzen, dem Heimweh, aber auch der Freude und der Heiterkeit beim Spielen. Da ist das Bild vom afghanischen Jungen, der völlig erschöpft in seinem Bett liegt und die Kippa nicht absetzen möchte beim Schlafen, um das letzte Stück Heimat nicht zu verlieren. Da ist der ängstliche Blick eines Kindes, das gerade aus dem Flugzeug steigt. Und da ist der angolanische Junge, der nach der Operation auf einen Schrank geklettert ist und triumphierend herunterblickt. Die schwarz-weiß-Fotografien von Binder kommen den Kindern ganz nahe - zugleich bleiben sie respektvoll auf Augenhöhe.

Toby Binder

Soziale Gerechtigkeit ist Thema für Toby Binder

Diese emotionale Nähe zu seinen Protagonisten kennzeichnet das Werk von Toby Binder. Der 1977 geborene Fotograf, der in Stuttgart Kommunikationsdesign studierte, widmet sich gerne schwierigen und sperrigen Themen. Globale Gerechtigkeit, Flucht, Vertreibung, Ökologie und Soziales gehören zu seinem Portfolio.

Viele Fotoreportagen von Toby Binder werden in renommierten Zeitungen und Magazinen veröffentlicht – dazu gehören die Süddeutsche Zeitung, die Neue Zürcher Zeitung, Neon, Chrismon oder die Zeit. 2005 bekam Binder ein DAAD-Stipendium für eine Reportage über eine wohnungslose Familie in Buenos Aires, 2010 erhielt er den Lagois-Preis für seine Reportage über Mütter in Sierra Leone.

Dennoch – oder gerade deshalb – verliert Binder nicht an Bodenhaftung. Für die Ausstellung im Haus der Eigenarbeit hat der Fotograf alte Laborschalen ausfindig gemacht und darin die Fotografien montiert: "Diese Schalen passen gut in einen Handwerksbetrieb wie das HEI und geben den Fotos einen besonderen Rahmen", erklärt Binder.

Magazine übernehmen Fotoreportagen

Die journalistische Freiheit und die eigenständige Arbeit sind Toby Binder wichtig. So entstand die Geschichte über die Kinder, die in Deutschland operiert werden, nicht im Auftrag der Organisation Friedensdorf International, sondern als Reportage für ein Magazin.

Genau diese Unabhängigkeit macht auch die Stärke der Reportagen aus. Das Motiv des Jungen, der voller Heimweh und Angst auf dem Klinikbett sitzt, würde eine Marketingabteilung vermutlich nicht verwenden. In der Fotoreportage allerdings gehört diese Facette zur Lebensgeschichte des Jungen – und erzeugt eben diese emotionale Nähe, die so fasziniert.

Zum Brexit: Fotoreportage aus Nordirland

Die Fotos zum Friedensdorf gehören zu einem Langzeitprojekt - wie viele andere Projekte, die Toby Binder verfolgt. Gerade hat er ein Fotoprojekt in Nordirland abgeschlossen. Dort hat er junge katholische Republikaner und protestantische Loyalisten porträtiert. "Das Thema Brexit ist täglich zu spüren", erzählt Binder. Der Ausstieg aus der Europäischen Union spalte die Menschen. "Ich fürchte, dass der Brexit den Friedensprozess in Nordirland gefährden könnte", sagt Binder. Viele Jugendliche hätten keinerlei Zukunftsperspektive. Auch deshalb müsse ihre Geschichte erzählt werden.

 

Toby Binder: Ausstellung im HEI

HEi – Haus der Eigenarbeit
Wörthstraße 42 Rückgebäude
81667 München

Öffnungszeiten der Ausstellung im HEI: Di–Fr 15–21 Uhr und Sa 12–18 Uhr.

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"Auf der Flucht: Frauen und Migration"

Weltweit sind etwa die Hälfte aller Flüchtlinge Mädchen und Frauen - derzeit also rund 30 Millionen. Mädchen und Frauen, die ihre Heimat verlassen müssen, erleben oft Gewalt und Diskriminierung. Die Foto-Ausstellung "Auf der Flucht: Frauen und Migration" präsentiert das Werk von neun Fotografinnen und Fotografen. Die Bilder dokumentieren das Leben der Frauen in ihrer Heimat, auf der Flucht und im Asyl. Die Foto-Ausstellung kann ausgeliehen werden, weitere Informationen beim Evangelischen Presseverband, Abteilung CME, Telefon 089/12172-153, Mail: ausstellungen@epv.de.

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