Das neue Schuljahr ist vier Wochen jung, und der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) schlägt Alarm. Der Lehrermangel, den er seit Jahren beklagt, scheint in Corona-Zeiten teilweise unerträgliche Folgen zu zeitigen. "Wir haben noch nie so einen Notbetrieb erlebt wie jetzt", sagte Fleischmann in München. Zwei Krisen, die Corona-Pandemie und der Lehrermangel, "prallen mit voller Wucht aufeinander".

Dies müsse Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) endlich anerkennen, forderte sie - er dürfe nicht länger behaupten, an den Schulen laufe Regelbetrieb. Die Personalnot könne nicht mehr kaschiert werden: "Die Show ist aus." Denn es fehlen Lehrkräfte vor allem an Grund-, Mittel- und Förderschulen.

BLLV fordert: Lehrer und Schulleiter müssen dringend entlastet werden

Lehrer und Schulleiter müssten dringend entlastet werden, sonst sei an Regelbetrieb nicht zu denken, sagte Fleischmann. Sie forderte einen "Lehrergipfel" in der Staatsregierung. "Schulgipfel", "Digitalisierungsgipfel" oder "Lüftungsgipfel" machten wenig Sinn, wenn es schlicht an Lehrkräften fehle. Es gebe grundsätzlichere Probleme als die Beschaffung von Laptops: Wenn Lehrer erkranken, seien keine Vertretungslehrer da. Schulleiter müssten trotz zahlloser Zusatzaufgaben weiterhin selbst unterrichten. Die sogenannten Brückenangebote, in denen Kinder fehlenden Lernstoff nachholen sollen, könnten wegen der Personalnot nicht durchgeführt werden.

Es brauche "keine warmen Worte", sondern "ehrliche Politik", forderte Fleischmann. Künftig werde mehr Unterricht ausfallen: "Viele von uns können schlichtweg nicht mehr."

Piazolo hatte ähnliche Kritik des BLLV bereits früher zurückgewiesen. Am Dienstag sagte er, aktuell seien mehr als 99,5 Prozent aller Schulklassen in Bayern im Präsenzunterricht. Vor zwei Wochen hatte er gesagt, die Schulen seien "zum übergroßen Teil sehr gut" ins neue Schuljahr gestartet: "Die Schulfamilie setzt den Rahmen-Hygieneplan sehr gut um."

 

BLLV-Vizepräsident Tomi Neckov, Schulleiter einer Mittelschule in Schweinfurt, arbeitet nach eigener Aussage derzeit 60 Stunden pro Woche. Er schreibe "unzählige" Elternbriefe, um über die Corona-Maßnahmen zu informieren, und führe "unzählige" Telefonate mit Eltern, die unsicher seien, ob sie ihr rotznasiges Kind zur Schule schicken könnten. Er müsse 470 Impfpässe auf Masernschutz kontrollieren, Informatiklehrer bräuchten ein Desinfektionsmittel für die Tastatur, zwischendurch erteile er einem Schüler ohne Mundschutz einen Verweis oder fülle Statistiken aus.

Und über allem schwebe die Angst vor dem ersten Corona-Fall an der Schule. "Ich rechne damit, dass einige Schulleiter krank werden, dass sie ihren Posten zurückgeben und sagen, den Wahnsinn kann ich nicht länger mitmachen", sagte Neckov.

Er erwartet ein Eingeständnis von der Politik, dass kein Regelbetrieb herrsche: "Das würde den Druck rausnehmen." Fleischmann fragte: "Warum ist es so verdammt schwer für den Kultusminister zu sagen, wir haben Lehrermangel?" Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe dies immerhin eingeräumt.

Von den rund 800 "Teamlehrkräften" sei nichts zu spüren

Margit Nothhaft-Buchner, die eine Grundschule in Weißenburg leitet, berichtete, dass ihre Büromitarbeiterin täglich eine Stunde mit dem Aufnehmen der Krankenfälle beschäftigt sei. Lehrkräfte hätten keine Pausen, oft sei es sogar schwierig, nur zur Toilette zu gehen. Was Schule ausmache, das Miteinander, sei kaum noch möglich. Wenn nun noch die Erkältungswelle komme, "weiß ich nicht, wie wir den Unterrichtsbetrieb aufrechterhalten sollen", sagte Neckov.

Schulleitung müsse als volle Arbeitszeit angerechnet werden, forderte Fleischmann. Söder habe bereits "Prämien" für Schulleiter versprochen. Um Lehrer zu gewinnen, müsse das Lehramt attraktiver gemacht werden. Von den "Teamlehrkräften", von denen seit diesem Schuljahr bayernweit 800 im Einsatz sind, sei fast nichts zu spüren. Zudem sei das Modell dieser Ergänzungskräfte ohne adäquate Qualifikation fragwürdig. Laut Neckov verursachen sie zusätzliche Arbeit: "Sie müssen auch betreut werden."

Dankbar zeigte sich Fleischmann für den "Digitalisierungsschub" der Staatsregierung. Teilweise kämen an den Schulen nun Pakete mit Endgeräten an - doch die Lehrer fänden keine Zeit, diese einzurichten und in Betrieb zu nehmen.