Große Konferenzen zum Thema Digitalisierung und technologische Entwicklungen sind nicht gerade Mangelware in Deutschland. Es gibt die DLD, die Bits & Pretzels oder die re:publica. In der bayerischen Landeshauptstadt haben sich nun die früheren Macher des Magazins "Wired" aufgemacht, die Szene ein wenig aufzumischen. Einmal im Jahr wollen sie eine Tech-Konferenz organisieren.

 

Die erste Ausgabe von "1E9" fand in den Räumlichkeiten des Deutschen Museums in München statt. Rund 100 Speaker und mehr als 800 Gäste hatten sich den Veranstaltern zufolge angemeldet. Allerdings verteilte sich die Menge auf dem Gelände, was das Netzwerken etwas erschwerte.

 

Die Veranstalter haben ein ehrgeiziges Ziel. Sie haben die Konferenz an eine digitale Plattform gekoppelt, die als Vor- und Nachbereitung der Tagung dient – und eine Community von Gleichgesinnten aufbauen soll. Damit soll eine "Denkfabrik" für digitale Technologien entstehen, erklärte Veranstalterin Daria Saharova. Ziel sei es, technologische Innovationen zu nutzen, Probleme der Welt "positiv anzugehen". Neu ist auch, dass neben Startups und Unternehmen auch Künstler und Philosophen auf der Bühne stehen.

 

Joscha Bach: Was tun, wenn Maschinen schlauer sind als der Mensch?

 

Einen furiosen Auftakt lieferte der Kognitionswissenschaftler Joscha Bach. In seinem rasanten Vortrag führte er in seine Gedankenwelt ein. Computer, so ist er überzeugt, haben inzwischen einen ähnlichen Grad der Komplexität erreicht wie das menschliche Hirn. Algorithmen seien bald in der Lage, sich selbst das Lernen beizubringen. Dies werde irgendwann dazu führen, dass Maschinen "schlauer sind als Menschen", sagte Bach, der an der US-amerikanischen "AI-Foundation" in San Franciso forscht.

 

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz werde Veränderungen verursachen, die kaum vorhersehbar sind. Umso wichtiger sei es deshalb, sich mit grundsätzlichen Fragen von "governance" und ethischen Richtlinien zu beschäftigen. Bach zufolge befindet sich die Zivilisation an einem entscheidenden Punkt, an dem sich die Frage stelle, ob die Menschheit schlau genug ist, die Maschinen so zu bauen, dass sie der Menschheit und dem Globus dienen – und ob der Menschheit genügend Zeit bleibt, diese grundlegenden Dinge umzusetzen.

 

Künstler und Architekten nutzen Künstliche Intelligenz

 

Der Künstler Marc Gumpinger demonstrierte, wie er Künstliche Intelligenz für seine Werke nutzt: Zunächst arbeitet er am Rechner, bevor er Pinsel und Farbe greift und die Ergebnisse auf Leinwand überträgt. Technologie und Kunst müssten sich verbinden, findet Gumpinger. Wenn Chips immer kleiner werden und immer weniger greifbar, müsse die Kunst dafür sorgen, die Technologie wieder sichtbar zu machen. "Damit gewinnen wir Kontrolle über das menschliche Leben zurück", so Gumpinger.

 

Eine Rückeroberung des städtischen Raums forderte der Architekt Christos Chantzaros vom Lehrstuhl für Architekturinformatik der Technischen Universität München. Anhand von Bauwerken aus aller Welt demonstrierte er, wie die Digitalisierung die Architektur verändert – und damit wiederum auf die Gesellschaft wirkt. Noch arbeite das Baugewerbe viel zu traditionell, bemängelte er. So würde beim Bau viel Energie verbraucht und extrem viel Müll produziert. Technologische Entwicklungen könnten genutzt werden, um nachhaltige Architektur zu fördern.

 

Christoph Jentzsch: Blockchain mit Lerneffekt

 

Der Blockchain-Experte Christoph Jentzsch schilderte, was geschieht, wenn ein Tool einen Programmierfehler hat. Er erzählte, wie er das Blockchain-Tool "DAO" entwickelte mit dem Ziel, eine dezentralisierte, autonome Organisation zu schaffen. Innerhalb kürzester Zeit wurden über Crowdfunding in das Tool mehr als 140 Millionen Dollar investiert. Doch dann griff ein Hacker das System an – und entwendete rund 50 Millionen. Das Projekt wurde abgebrochen, die Investoren bekamen ihr Geld zurück, und heute kann Jentzsch gelassen auf diese stressige Zeit zurückblicken. Aber er hat gelernt: Programmierfehler können fatale Folgen haben. Und so bleibt ihm die Erkenntnis:

 

"You never know how far you can go, until you´ve gone too far" (T.S. Eliot)

 

 

Nächste 1E9-Tagung findet 2020 statt

 

Der Generaldirektor des Deutschen Museums, Wolfgang M. Heckl, würdigte die Konferenz im Forum als "Ort des Dialogs über Wissenschaft und Technik". Die Tagung mache deutlich, wie "Zukunftstechnologien mit Engagement" verbunden werden könnten. Die Konferenz soll künftig jährlich stattfinden. Die Website zur Konferenz findet sich unter dem Link 1e9.community