Die bayerische Justiz hat ab sofort einen eigenen Hate-Speech-Beauftragten: Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Hartleb soll sich bei der Generalstaatsanwaltschaft München schwerpunktmäßig der Bekämpfung von Hassrede im Netz widmen. "Im Internet hat sich etwas zusammengebraut, das eine Gefahr für unsere Demokratie darstellt", sagte Justizminister Georg Eisenreich (CSU) am Mittwoch. Hass vergifte das gesellschaftliche Klima und könne zu realer Gewalt werden:

"Wer Hass bekämpft, schützt die Meinungsfreiheit."

Hartleb soll nach einem abgestuften Konzept tätig werden: In der Fläche soll er die 22 Hate-Speech-Sonderdezernenten, die seit Januar in den bayerischen Staatsanwaltschaften eingesetzt sind, beraten. Zentral von München aus soll er zudem die Bekämpfung von Hassrede koordinieren und "für eine einheitliche Rechtsanwendung sorgen". Desweiteren soll Hartleb überregionale Verfahren führen und Anzeigen sowie Prüfbitten, die über das vereinfachte Online-Verfahren für Kommunalpolitiker hereinkommen, aufnehmen. Über dieses Verfahren, das laut Eisenreich voraussichtlich in den kommenden Wochen aktiviert wird, können Kommunalpolitiker Hasskriminalität leichter melden.

Die Stelle des Hate-Speech-Beauftragten wurde laut Eisenreich bewusst bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus angesiedelt, da die Bekämpfung von Hassrede "auch Bekämpfung von Extremismus ist".

Die Verfolgung solcher Straftaten sei "immer im öffentlichen Interesse".

Hartleb, der seit 16 Jahren im Strafrecht aktiv ist, hofft auf eine "hohe Abschreckungswirkung" durch mehr Verurteilungen. Dass Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt werden, solle der "absolute Einzelfall" sein. Als Beispiele für ein erfolgreiches Durchgreifen der Justiz nannte Hartleb einen Fall aus Deggendorf. Ende 2017 war eine Demonstration von Asylbewerbern auf dem Internetportal der AfD Bayern gestreamt worden, wobei es zu vielen Hasskommentaren kam. Die Taten wurden polizeilich erkannt und die meisten Täter identifiziert. In 195 Verfahren wurde Strafbefehl erhoben, 155 Personen wurden bislang wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilt.

Für einige Äußerungen sei jeweils eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen verhängt worden, sagte Hartleb. Das sei nicht unerheblich: Die Höhe entspreche vier Monatsnettogehältern und bedeute einen Eintrag ins Führungszeugnis, womit jemand vorbestraft sei. Als weiteres Beispiel nannte er den Fall eines Familienvaters, den die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth kürzlich zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilte (noch nicht rechtskräftig), weil er gegen Flüchtlinge gehetzt hatte.

Dem Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle zufolge ist die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Hass im Netz noch "relativ überschaubar". Dennoch brauche es den Beauftragten, weil es ein "Massenphänomen ist". Wenn künftig mehr Anzeigen eingingen, erwarte die Justiz vermutlich zunächst eine "hohe Welle" an Verfahren, die dann dank der Präventivwirkung aber hoffentlich wieder abflache.

Eisenreich forderte, die sozialen Medien "viel stärker in die Pflicht" zu nehmen.

Auskunftsverlangen der Staatsanwaltschaft müssten sie endlich "ohne Wenn und Aber" erfüllen. Gerade mit Facebook sei er in einem "intensiven Dialog", sagte der Minister. "Soziale Medien müssen sich auch sozial verhalten und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung mehr gerecht werden, statt einfach nur die Technik zur Verfügung zu stellen."

Als "konstruktiven Ansatz" lobte der bayerische Städtetags-Vorsitzende, Kurt Gribl, das angestrebte vereinfachte Online-Verfahren für Kommunalpolitiker. Auch die geplante Einrichtung von festen Ansprechpartnern bei den Staatsanwaltschaften sei hilfreich. Kommunalpolitiker erwarteten "ein konsequentes Vorgehen" von Polizei und Justiz, sagte der Augsburger Bürgermeister laut Mitteilung. Er appellierte an Politiker und Verwaltungsmitarbeiter, Beleidigungen und Übergriffe nicht hinzunehmen, sondern anzuzeigen.

Wer engagiere sich noch fürs Gemeinwesen, wenn er Gefahr laufe, zum Opfer von Hass zu werden, fragte Gribl. Zum Amt des Bürgermeisters gehöre es nicht, Hetze aushalten und sich ein dickes Fell wachsen lassen zu müssen: "Wir brauchen keine dickfelligen Mandatsträger, sondern Menschen mit Empathie."