Der Konflikt geht also weiter. Gender-Befürworter engagieren sich für einen neuen geschlechter- und hierarchiebewussten Sprachgebrauch. Sprachbewahrer kritisieren dagegen eine ideologisch motivierte Verhunzung des Deutschen. sonntagsblatt.de erläutert beide Positionen:


PRO

  • Verfechter des "Genderns" betrachten die Sprache vor allem im Blick auf ihre gesellschaftliche Dimension. Um die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern, wollen sie den Gebrauch der Sprache dort verändern, wo er der Gleichberechtigung von Männern und Frauen ihrer Meinung nach entgegenwirkt: Etwa dadurch, dass Frauen explizit genannt werden.

 

  • Besonders lehnen die "Gendering"-Befürworter das "generische Maskulinum" ab, wonach im Deutschen mit der grammatisch männlichen Form Männer und Frauen gleichermaßen gemeint sind ("Der Bürger darf wählen.") Das generische Maskulinum mache die Frauen "besser unsichtbar als jede Burka", sagt die Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch.

 

  • Diese Sprachregel, wonach Frauen "mitgemeint" sind, benachteilige Frauen, finden Feministinnen und auch viele Linguisten beiderlei Geschlechts. Maskuline Bezeichnungen ließen die meisten Menschen nämlich an Männergruppen denken, egal ob es um stereotyp männliche Tätigkeiten ("Spion"), neutrale ("Zuschauer") oder weibliche Tätigkeiten ("Kosmetiker") gehe. Studien haben den Forschern zufolge gezeigt, dass das Genus - das grammatische Geschlecht "der, die, das" -  konkrete Auswirkungen auf die Vorstellung von Sexus, dem biologischen Geschlecht, hat.  

Dass es zu dieser Wahrnehmung kommt und Personenbezeichnungen wie "Terrorist", "Lehrer" oder auch "Kosmetiker" eher mit Männern assoziiert werden, hat mit dem sogenannten sozialen Geschlecht (engl. "Gender") zu tun. Dies leitet sich neben dem realen Anteil von Männern oder Frauen in den jeweiligen Gruppen auch aus sozialen Zuschreibungen ab und kann mehr oder wenig stark ausgeprägt sein: So ist "Kosmetiker" weniger stark männlich besetzt als "Terrorist", weil Kosmetik eher mit Frauen in Verbindung gebracht wird, Gewalt dagegen eher mit Männern.

 

  • Anhänger des "Genderns" betonen, dass Sprache die Wahrnehmung lenke und eine bestimmte Sicht der Dinge verstärken oder abschwächen könne. So führe die Verwendung des generischen Maskulinums in Stellenanzeigen zu einem geringen Anteil von Bewerberinnen. Umgekehrt trauten sich Mädchen eher typisch männliche, technische Berufe zu, wenn diese ihnen in männlicher und weiblicher Form vermittelt werden ("Ingenieurinnen und Ingenieure"). Gender-Freunde leiten daraus die Verpflichtung ab, Sprache so zu verändern, dass sie Chancengleichkeit nicht verhindert.  

 

KONTRA

  • Wer sich von "Genderwahn" genervt fühlt und die geltende, allgemein gebräuchliche Sprachform verteidigt, argumentiert im Wesentlichen mit der Sprachlogik. Jede Sprache hat demnach ihren eigenen logischen Aufbau: Im Deutschen wird zwischen dem grammatischen Geschlecht (Genus) und dem biologischen Geschlecht (Sexus) unterschieden. Als "generisches Maskulinum" steht die männliche Form auch für Begriffe, die Männliches und Weibliches zugleich umfassen, zum Beispiel im Satz "Der Bürger darf wählen".

 

  • Während es im Deutschen gleich drei grammatische Geschlechter gibt ("der", "die" und "das"), sind andere Sprachen anders konstruiert: Einige haben viele grammatische Geschlechter, klassifiziert etwa nach Eigenschaften von Lebenwesen und Dingen. Andere wie das Türkische oder das Ungarische haben gar kein Genus. Trotzdem denke man in diesen Sprachfamilien nicht mehr oder weniger emanzipiert oder gleichberechtigt, halten Sprachbewahrer denen entgegen, die die Gesellschaft durch einen veränderten Sprachgebrauch "gerechter" machen wollen. So schrieb unlängst Ulrich Greiner in der "Zeit": Türkische Frauen dürften aufgrund des fehlenden Genus keine Probleme mit geschlechtergerechter Sprache haben: "Aber vielleicht haben sie dennoch ein Problem mit Gleichstellung."

 

  • In der Alltagsprache, in der es auf Kürze und Effizienz ankommt, hat sich "geschlechtergerechte Sprache" kaum durchgesetzt. Sie ist in der Regel behördlichen oder offiziellen Formularen und Dokumenten vorbehalten. Zudem verwenden auch Politiker heute meist Doppelformen ("Wähler und Wählerinnen"), um auch für die Geschlechterfrage sensible Menschen zu erreichen. Dass eine durchgängige explizite Nennung beider Geschlechter in der Praxis nicht umsetzbar ist, weil es die Sprache sehr verkompliziert, wird als weiteres Argument gegen das "Gendern" angeführt.

 

  • Auch die deutschen Nachrichtenagenturen sowie die meisten Zeitungen "gendern" aus diesem Grund nicht. Neue Formen wie das große Binnen-I (MitarbeiterInnen) oder das Gendersternchen (Kolleg*innen), die Frauen sichtbar machen sollen oder Personen, die sich nicht als Mann oder Frau begreifen, mindern die gute Lesbarkeit von Texten und funktionieren nicht, wenn sie gesprochen werden. Kritiker sehen darin eine Sprachverhunzung. Einen gewissen erzieherischen Ansatz der Gender-Anhänger, bestimmte Sprachnormen durchsetzen wollen, halten sie für "undemokratisch".