Künstliche Intelligenz und digitale Technologien benötigen Leitlinien und einen Rechtsrahmen. Dafür setzt sich die evangelische Theologieprofessorin Johanna Haberer ein. "Wir müssen eine ethische Haltung zum Umgang mit Daten entwickeln", sagte die Professorin für Christliche Publizistik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen im Sonntagsblatt-Interview. Johanna Haberer ist Mitglied der deutschen Datenethikkommission, die 2018 eingesetzt wurde und bis Oktober 2019 Leitlinien für den Umgang mit digitalen Technologien entwickeln soll.

Gerade in Bezug auf persönliche Daten müsse es eine Regulierung geben, sagt die Theologin: "Persönliche Daten sagen sehr viel aus über eine Person. Bis in die Emotionen hinein können Menschen vermessen werden und diese Daten können wiederum durch Algorithmen für Prognosen genutzt werden, wie ein Mensch sich künftig verhalten wird, ob er an Depressionen leidet und so fort", erklärte die Theologin. Hier ethische Leitlinien zu entwickeln habe sich die Datenethikkommission zur Aufgabe gemacht.

Ihre Aufgabe als Theologin sieht Haberer darin, Impulse zu geben. Dazu gehöre etwa die Frage, was eigentlich die Seele des Menschen ausmache in einer digitalisierten Welt. Es bestehe die Gefahr, dass der Menschen "von diesen Rechenmaschinen und den dahinterstehenden kapitalistischen Interessen ausgeweidet" werde. "Hier müssen wir die Seele der Menschen schützen und ein paar rote Linien ziehen. Wir müssen angesichts der Vermessung der Welt durch computergetriebene Rechnungen in der Theologie überhaupt wieder lernen von der Seele des Menschen zu sprechen", sagte Haberer.
 

Rechtsrahmen für die digitale Welt

Die Datenethikkommission wolle die Bundesregierung dabei unterstützen, einen Rechtsrahmen für die digitale Welt zu schaffen. Jeder Rechtsstaat müsse sich künftig daran messen lassen, wie gut er die persönlichen Daten der Bürger schütze. Derzeit gebe es hier sehr unterschiedliche Auffassungen. In manchen EU-Ländern werde darüber diskutiert, ob Roboter für einen Unfall verantwortlich gemacht werden könnten. Doch sei Verantwortung ein "menschliches Produkt", das nicht delegiert werden dürfe an Maschinen oder Rechenprozesse, so Haberer.

Die Diskussion um die Macht der Algorithmen hält die Theologin Haberer für übertrieben: "Dass sich Algorithmen irgendwann mal selbständig machen und Menschen nicht mehr eingreifen können ist ein Mythos", sagte Haberer. Algorithmen würden durch Rechner gesteuert und kontrolliert – und dahinter stehe immer ein Mensch. Viel wichtiger sei es, zu verstehen, "in welchem Kontext und mit welchem Ziel ein Algorithmus eingesetzt wird", sagte Haberer.

Optimistisch äußerte sich Haberer in Bezug auf die Nutzung von Daten, wenn sie entpersonalisiert sind: "Daten sollten ein öffentliches Gut sein und möglichst vielen Institutionen oder Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, damit sie ihre Angebote und Produkte verbessern oder innovativ arbeiten können", sagte Haberer. Allerdings müssten personenbezogenen Informationen gut geschützt werden. Zudem müsse auch dafür gesorgt werden, die Daten in einer gewissen Qualität zur Verfügung zu stellen.

Kirchen müssen sich mit Medienethik beschäftigen

An die Kirchen gerichtet forderte die Theologieprofessorin Haberer eine eingehende Beschäftigung mit Medienethik und Digitalisierung. Zwar seien auf den EKD-Synode in Würzburg erste Schritte getan worden. Doch müssten diese Bemühungen fortgesetzt werden. Schließlich seien Landeskirchen und EKD selbst Datenlieferanten. "Kirchen müssen sich mit ihren datenethischen Überlegungen in die öffentliche Diskussion einbringen", sagte Haberer. Denn im Umgang mit persönlichen Daten gehe es um die Würde des Menschen.

Datenethikkommission

Was macht die Datenethikkommission? Und wer gehört zu diesem Gremium. Lesen Sie unseren Hintergrund mit Daten und Fakten zur Datenethikkommission hier.