Kinder sollten gesund ernährt werden. Das ist weithin Konsens. Aber wie steht es mit den vielen ungesunden Lebensmitteln? Sollte man dafür werben dürfen? Oder nicht? "Darüber haben sich viele Menschen noch keine Gedanken gemacht", sagt Ann-Kristin Herget von der Uni Würzburg. Dokumentationen über dicke, kranke Kinder können das Bewusstsein für die Gefahren solcher Art von Werbung schärfen. Dies gelingt Hergets Studien zufolge besonders gut mit passender Hintergrundmusik.

Hintergrundmusik bei Dokumentationen

Am Institut für Mensch-Computer-Medien der Würzburger Uni forscht Ann-Kristin Herget in einem Themenfeld, das noch kaum beackert ist. "Es gibt zwar Regeln, wie man gute Dokumentationen macht", sagt die 30-jährige Forscherin. Dokus sollen zum Beispiel ausgewogen sein. Richtlinien zu der Frage, wie Musik so eingesetzt werden kann, dass die Botschaft eines nicht-fiktionalen Beitrags beim Zuschauer ankommt, existieren hingegen noch nicht.

Redakteure haben oft wenig Zeit, Beiträge musikalisch aufzupeppen, erfuhr Herget während eines Einsatzes im Musikservice eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders. Aus diesem Grund werden Sachbeiträge nicht selten mit einer nicht ganz passenden Musik unterlegt. Die schafft es nicht, beim Zuschauer jene Emotionen zu wecken, die durch den Beitrag erzeugt werden sollen - sei es Angst, Freude oder Empörung.

Verzerrung der Botschaft

Unpassende Hintergrundmusik nervt aber nicht nur. Die Botschaft einer Dokumentation, eines Magazinbeitrags oder eines Werbespots kommt dadurch auch schlechter rüber. Das zeigen Untersuchungen von Herget und ihren Kollegen im Arbeitsbereich "Medien- und Wirtschaftskommunikation" des Würzburger Instituts für Mensch-Computer-Medien. Um die Effekte von Hintergrundmusik zu untersuchen, wählte das Team um die Würzburger Musik- und Kommunikationswissenschaftlerin einen Fernsehbeitrag der Sendung "plusminus" von 2016 aus.

Der klärte darüber auf, wie Firmen ungesunde Lebensmittel für Kinder anpreisen. "Ursprünglich wurde der Beitrag ohne Musik gesendet", so Herget. Zusammen mit der Studentin Jessica Albrecht unterlegte sie den Fernsehbericht einmal mit dramatischer Musik und einmal mit Musik, wie sie gern verwendet wird, wenn es um Kinder geht. Über 150 Probanden sahen sich bei einem Online-Experiment einen Ausschnitt aus einer der drei durch den Faktor "Musik" leicht variierten Beiträge an.

Ergebnisse der Studie

Diejenigen, die den Beitrag mit der dramatischen Musik sahen, äußerten nach Ende des Versuchs am vehementesten die Überzeugung, dass Werbung, die Kinder zum Konsum allzu ungesunder Sachen verführt, nicht gut ist. Dieser Effekt wurde durch die kindliche Musik verringert. Auch der Beitrag ohne Musik schaffte es nicht im gleichen Maße, diese neue Überzeugung hervorzurufen. "Das Ergebnis müsste jetzt durch weitere Studien erhärtet werden", so Herget.

Hintergrundmusik kann aber nicht nur Meinung machen, zeigt eine weitere Untersuchung. Sie kann Menschen dazu bringen, zumindest kurzzeitig toleranter zu werden. Dies belegt eine von Herget betreute Studie, bei der es um die Akzeptanz homosexueller Protagonisten in Werbespots ging. "Homosexuelle Menschen sind zu einer wichtigen Zielgruppe für Firmen geworden", erklärt die Forscherin. Allerdings besteht die Gefahr, dass heterosexuelle Männer als Kunden abgeschreckt werden, treten Schwule in Werbe-Spots auf.

Toleranz durch "richtige" Musik

Diese negative Wirkung kann der Untersuchung zufolge durch passende Hintergrundmusik gedämpft werden. In der TV-Werbung wurde für Schmuck geworben: Ein homosexueller Mann machte seinem Geliebten einen Heiratsantrag und überreichte ihm einen Ring. Der Spot wurde einmal mit "maskuliner" und einmal mit "femininer" Musik unterlegt. Männer, die den maskulin untermalten Spot sahen, konnten die schwulen Protagonisten eher akzeptieren als männliche Zuschauer, die den mit femininer Musik unterlegten Fernsehspot anschauten. "Dieser Effekt hielt auch noch eine Weile nach dem Spot an", so Herget.

Die Forscherin wollte schließlich wissen, ob Hintergrundmusik den "Lerneffekt" einer Dokumentation vermindern kann. Untersuchungen aus den 1990er Jahren hatten zum Ergebnis, dass dies bei Lernfilmen der Fall sei. Die mit Musik angereicherten Filme wurden von Lernenden zwar positiver bewertet als Filme, die "trocken" daherkamen. Doch unterm Strich, so das damalige Resultat, blieb durch die Musik weniger hängen. Dieses Ergebnis kann die Würzburger Wissenschaftlerin nicht bestätigen.

Glubwürdigkeit durch dramatische Musik

Sie unterlegte eine Doku des TV-Senders n24 über die Ummantelung des Tschernobyl-Reaktors mit "passender" dramatischer und nicht ganz so passender "heroischer" Musik. Die Musik störte nachweislich nicht die Informationsverarbeitung. Zumindest jene Probanden, die an der Würzburger Studie teilnahmen, konnten anschließend Sachfragen zu dem Beitrag richtig beantworten. Interessant: Vor allem der mit dramatischer Musik unterlegte Doku-Ausschnitt wurde von den Versuchsteilnehmern als "glaubwürdig" beurteilt.

Zwar zweifelten auch die anderen Probanden nicht an der prinzipiellen Glaubwürdigkeit des Beitrags. Doch im "heroisch" unterlegten sowie im "musiklosen" Beitrag waren die Werte in puncto Glaubwürdigkeit niedriger.