Frankreich sieht gelb. Die protestierenden gilets jaunes, die Gelbwesten, machen Druck für mehr soziale Gerechtigkeit. Leider beschädigen dabei Gewalttäter das überwiegend berechtigte Anliegen der Demonstranten. Doch die Mehrzahl der Bewegung, Angehörige der unteren Mittelschicht, Landbevölkerung, Niedriglöhner, Globalisierungsverlierer, will friedlich Veränderungen erreichen. So wundert es kaum, dass Teile der Protestbewegung jetzt sogar zu den Europawahlen antreten wollen. Sie fordern mehr direkte Bürgerbeteiligung, mehr Kaufkraft, höhere Renten, eine bessere Gesundheitsversorgung und eine gerechtere Besteuerung.

Was mit den Protesten der kleinen Leute gegen eine Erhöhung der Ökosteuer auf Benzin anfing, hat jetzt grundsätzlich die soziale Spaltung der französischen Gesellschaft offenbart. Interessant ist, dass die meisten Gelbwesten im Gegensatz zu den europäischen Rechtspopulisten weder die EU verteufeln noch Migranten oder Muslime zu Sündenböcken abstempeln. Das macht sie in den Augen vieler politikverdrossener Franzosen umso glaubwürdiger.

Das Phänomen "Gelbwesten" ist neu in Europa, nicht allerdings die Ursachen, die ihm zugrunde liegen. Fast überall haben Globalisierung und Digitalisierung sowie die gleichzeitige Sparpolitik der Staaten ihre Spuren hinterlassen und die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert – man denke nur an Großbritannien, wo jetzt die EU für hausgemachtes Ungemach herhalten muss.

Gleiche Bildungschancen für alle

Allerdings besteht in Deutschland kein Grund zur Überheblichkeit: Trotz Wirtschaftsboom gibt es auch bei uns immer noch viel zu viele Verlierer, ist der Abstand zwischen Arm und Reich gefährlich groß. Das zeigt sich insbesondere im Vergleich der Einkommen aus Arbeit und Erbschaften, oder auch bei den Niedriglohnbeziehern im Vergleich mit abgesicherten Gutverdienern.

Besonders beschämend für unser wohlhabendes Deutschland ist allerdings die Kinderarmut. Einige kleine Korrekturen hat Berlin schon auf den Weg gebracht. Doch es gehört jetzt endlich eine einkommensabhängige Kinder-Grundsicherung aus einem Guss her. Außerdem: Soziale Gerechtigkeit setzt insbesondere gleiche Bildungschancen für alle voraus. Aber nach wie vor werden bei uns nicht nur Reichtum und gute Bildung vererbt, sondern auch Armut und schlechte Bildung. Dass das so nicht bleiben darf, muss auch unsere bildungsorientierte evangelische Kirche auf den Plan rufen.

Mangelnde Gerechtigkeit gefährdet den sozialen Frieden. Die Gelbwesten in Frankreich sollten Warnung genug sein.