Konjunkturpaket, Reisefreiheit, Alltagslockerungen – wöchentlich rast ein Eilzug guter Nachrichten durchs coronageplagte Land. Sperrstunde weg! Kultur endlich auf! Mehrwertsteuer runter! Feiern erlaubt!

Auf einer Draisine öttelt jedoch die Bildungspolitik hinterher. Mitte Juni hatte die Kultusministerkonferenz beschlossen, dass überall nach den Sommerferien wieder "regulärer Schulbetrieb nach geltender Stundentafel" stattfinden soll. Und dann kommt der Zusatz: "Sofern es das Infektionsgeschehen zulässt."

Kinder büßen für verantwortungslose Erwachsene

Es ist ein Halbsatz, der es in sich hat und Eltern verzweifeln lässt. Denn er bedeutet, dass Schulkinder ganz schnell wieder zuhause sitzen, wenn Erwachsene fahrlässig mit ihrer Verantwortung in Pandemie-Zeiten umgehen. Was war als erstes dicht nach den Corona-Ausbrüchen in Göttingen und beim Großschlachter im Kreis Gütersloh? – Die Schulen.

Was Kinder und Eltern aber brauchen, ist eine Schule, die trotz eines möglichen Infektionsgeschehens funktioniert. Es kann keine Option sein, als erstes und nur, weil es so einfach ist, die Schulen und Kitas dicht zu machen, wenn der Reproduktionsfaktor von Sars-CoV-2 im Herbst bei nasskaltem Wetter wieder steigt.

Kinder brauchen Kinder, und Lehrpersonen brauchen sie auch. Kinder haben ein Recht auf Bildung, und zwar (vor allem im Grundschulbereich) nicht vorwiegend digital. Und Eltern brauchen Luft, um Arbeit und Familie wieder verlässlich gestalten zu können.

Schule trotz Corona braucht alternative Räume

Zwei Mittel gäbe es für einen Regelschulbetrieb trotz Corona: Mehr Räume und mehr Personal. "Haben wir aber nicht!", klagen die Zuständigen. Könnte man aber mit etwas Einsatz finden. Jede Schule ist eingebettet in ein Stadtviertel mit Kirchengemeinden, Sportvereinen, Hotels und Grünflächen. Und bei jeder größeren Baumaßnahme an Schulen werden Pausenhöfe ohne mit der Wimper zu zucken mit Containern zugepflastert.

Warum identifiziert das Kultusministerium keine alternativen Räume, um einzelne Klassen für die Zeit der Pandemie dauerhaft außerhalb der überfüllten Schulen zu unterrichten und so mehr Abstand zu ermöglichen?

"Mit welchen Lehrern denn?", jaulen die Verantwortlichen. Der Lehrkräftemangel plagt das Bildungssystem schon des längeren. Zur Corona-Abwehr wurden allerdings die einsatzbereiten Lehrerinnen und Lehrer unter anderem für Einlassdienste, Flurwachen und Tischreinigung abgestellt – das ist, als würde der Chirurg die Verbände wechseln. Natürlich kann man Lehrkräfte nicht duplizieren. Aber es gibt Modellschulen, die regelmäßig für ihre interdisziplinären Teams ausgezeichnet werden.

Theaterprojekt statt Regelunterricht: Lernerfolg garantiert!

Dort sind externe Sportlehrerinnen am Start, Theaterleute und Musikpädagoginnen, Umweltmenschen, Handwerkerinnen und Künstler. Berufsgruppen übrigens, die Corona besonders hart getroffen hat. Warum nicht jene, die mit Kindern arbeiten wollen und können, für Schulprojekte engagieren?

Die Schüler würden nicht den Lehrstoff pauken. Aber weniger lernen würden sie wahrscheinlich nicht. Vielleicht würde sogar das ganze leistungsverrückte Schulsystem davon profitieren und eine echte Entwicklung machen, statt nur auf den Prä-Corona-Zustand zu starren.

Angesichts der Flexibilität und Kreativität, die den Eltern derzeit in Sachen Kinderbetreuung abverlangt wird, wünschte man sich etwas mehr davon in den Kultusministerien. Eine Schule der Phantasie gewissermaßen, die sich nicht vom internen und externen Würgegriff der Vorschriften erdrosseln lässt.

Die Namensschwester dazu gibt es übrigens schon in München: Doch die "Schule der Phantasie", das künstlerische Pendant zur Musikschule, findet derzeit nicht statt. Wegen Corona.