Es sind Sätze, die sich ins Gedächtnis eingebrannt haben. Unvergessen der Berliner Bürgermeister Ernst Reuter, der 1948 zwischen den Ruinen an die "Völker der Welt" appellierte: "Schaut auf diese Stadt und erkennt, dass ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft und nicht preisgeben könnt!" 15 Jahre später sprach dort US-Präsident John F. Kennedy die legendären Worte "Ich bin ein Berliner".

Drei Worte eines 16-jährigen zornigen Mädchens werden es wohl in diese Reihe historischer Zitate schaffen. Zumindest als "Halbsatz des Jahres", so das Urteil eines Journalisten, gilt bereits das "How dare you ..." (zu deutsch: "Wie können Sie es wagen ..."), das Greta Thunberg im September mit bebender Stimme ihrer Zuhörerschaft beim UN-Klimagipfel in New York entgegenschleuderte. Diese beispiellose Wutrede eines Teenagers, dieser Aufschrei gegen eine offenbar hilf- und tatenlose Weltpolitik angesichts einer drohenden Klimakatastrophe, könnte tatsächlich eines Tages in den Geschichtsbüchern stehen.

Jugendbewegung "Fridays für Future"

Wie aus dem schwedischen Schulmädchen, das mit einem selbst gemalten Pappschild ganz allein einen "Schulstreik fürs Klima" begann, die Leitfigur für die globale Jugendbewegung "Fridays for Future" wurde, ist längst Thema einer erbitterten Kontroverse. Dass dieser öffentliche Streit sogar von ernst zu nehmenden Meinungsmachern auf denkbar niedrigem Niveau geführt wird, kann man nur als tragisch bezeichnen – und wenn auf Demos ein Greta-Porträt mit Heiligenschein getragen wird, wird das der Sache ebenso wenig gerecht. Wenn aber ein Foto von Greta Thunberg in einem überfüllten ICE mehr Kommentare bekommt als eine jämmerlich gescheiterte internationale Klimakonferenz, ist wirklich etwas aus dem Lot geraten.

Das renommierte US-Nachrichtenmagazin Time hat Greta Thunberg jetzt zur "Person of the Year 2019" erklärt. Seit 1927 würdigt die Redaktion damit Menschen, die im abgelaufenen Jahr "die Welt am meisten bewegt oder beeinflusst" haben. Was das "Phänomen" Greta zugleich zum Prüfstein für demokratische Streitkultur macht.

50 Jahre ist es her, da rüttelte der SPD-Bundeskanzler Willy Brandt mit dem Weckruf auf: "Wir wollen mehr Demokratie wagen!" Wagnis bedeutet immer ein Stück Risiko. Wer sich der Zukunft stellt, muss auch vermeintliche Sicherheiten infrage stellen. "Wie können Sie es wagen, noch immer wegzuschauen?", lautet der komplette Satz aus Greta Thunbergs New Yorker Rede. Genau das ist die Herausforderung an die Politik: hinschauen und handeln. Das ist unbequem, zwingt zu Kompromissen, und ja, es braucht durchaus Zeit. Aber Zukunft ist schneller Gegenwart, als man heute vielleicht denkt.