Eine 44 Jahre alte Frau nimmt nach jahrelangen chronischen Schmerzen die mehrfach tödliche Dosis eines Medikaments, das ihr Arzt ihr verschrieben hat. Der per SMS informierte Mediziner unternimmt keine Rettungsmaßnahmen und lässt die Frau sterben. Der Arzt hat sich nicht strafbar gemacht, weil die Frau sich vorher klar zu ihren Suizidabsichten geäußert hatte, entschied jetzt der Bundesgerichtshof in Karlsruhe.

Sterbehilfevereine freut das Urteil. Sie sehen darin eine Stärkung des Patientenwillens. Die Bundesärztekammer befürchtet hingegen eine schleichende Legalisierung ärztlicher Begleitung beim Suizid. Und dass Erwartungen geweckt werden.

Geschäftsmäßige Sterbehilfe ist seit 2015 verboten

Bereits jetzt gibt es in diesem Bereich genug Grauzonen. Verschreiben Ärzte ein Medikament gegen die Schmerzen, an dessen Nebenwirkungen der Patient stirbt, machen sie sich nicht strafbar. Auch nicht bei der Gabe stark beruhigender Medikamente, die Patienten einnehmen können, wenn sie aus eigenem Willen auf Nahrung und Flüssigkeit verzichten – obwohl die sogenannte palliative Sedierung auch unter Medizinern umstritten ist, weil sie das Sterben beschleunigen kann.

Klarheit schaffen soll nun das Bundesverfassungsgericht. Das beschäftigt sich mit der Klage von Sterbehilfeorganisationen, Ärzten und schwer kranken Patienten gegen Paragraf 217 im Strafgesetzbuch. Er verbietet seit 2015 geschäftsmäßige Sterbehilfe. Sobald ein Arzt mehr als einmal Kontakt zu Sterbehilfeorganisationen vermittelt oder potenziell tödliche Medikamente verschreibt, macht er sich strafbar. Auch wenn der Patient das so will.

Recht auf selbstbestimmtes Sterben

Doch eben dieser Wille passt in kein Gesetz. Dem Sterbenskranken, der zu Hause oder im Hospiz Begleitung erfährt und sich trotz aller Hilfe dazu entschließt, wegen unzumutbarer Schmerzen seinem Leben ein Ende setzen zu lassen, würde ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben helfen, sollten die Karlsruher Richter so entscheiden. Dann hätten dieses Recht aber auch all jene, die nur wenig oder keine entsprechende Hilfe bekommen.

Die Gesellschaft vereinsamt, das Pflegesystem und die palliative Versorgung sind überlastet. 300 Menschen mussten im Pirmasenser Hospiz Haus Magdalena im vergangenen Jahr aus Kapazitätsgründen abgewiesen werden. Wenn dann ein Mensch beschließt, dass sein Leben nicht lebenswert ist, auch unter dem Druck, niemandem zur Last fallen zu wollen, hat die Gesellschaft versagt. Sie kann sich schönreden, der Einzelne habe seinen Tod doch selbst gewollt. Doch im Grunde hat sie sich nur mittels eines Gesetzes aus der Verantwortung gezogen und der Mitmenschlichkeit eine Absage erteilt.