Ist auch alles mit an Bord im wendigen weißen Flitzer mit dem Logo der Diakoniestation St. Peter, mit dem die "Pflegeengel in Weiß" unterwegs sind? Petra Rahn überprüft Blutdruckmessgerät, Arzneimittel, Verbände. Das ist die Standardausrüstung, die sie in ihrer Tasche immer mit dabeihat. Zudem ein Laptop, auf dem gleich im Anschluss an einen Besuch alles dokumentiert wird, was geschehen ist.

Seit über 15 Jahren ist Petra Rahn nun schon in ihrem Beruf als Altenpflegerin und Palliativschwester auf den Straßen Nürnbergs unterwegs. Und sie macht ihn gerne. Auch wenn die Dokumentationspflicht ihres Arbeitsalltags obendrein teils "doppelt und dreifach" erledigt werden muss, was ihr manchmal ganz schön die Laune verderben kann. In der Regel ärgert sie sich aber nie über die Menschen, mit denen sie täglich zu tun hat. "Warum auch, wir Schwestern sind für viele der Höhepunkt des Tages, weil wir die einzigen Menschen sind, die viele am Tag zu Gesicht bekommen", sagt Rahn.

Zeitpuffer für den Stadtverkehr

Und die nächste Patientin wartet schon. Umso ärgerlicher, dass auf unserem Weg durch den Nürnberger Stadtteil St. Peter nun schon die dritte Ampel nacheinander auf Rot schaltet und es einfach nicht vorangehen will. Petra Rahn nimmt es aber gelassen. "Es ist genügend Zeit. Und die brauche ich auch, denn mit Zeitdruck im Rücken kann man nicht mit Menschen würdevoll arbeiten", erklärt sie.

Eine Seniorin erwartet uns bereits. "Wie schauen Sie denn heute aus der Wäsche, ist alles klar mit den Kindern?" – Die Dame kennt Petra Rahn nun schon seit Jahren, und zwar so gut, dass ihr allein schon der Anflug einer verzogenen Miene auf dem Gesicht der Schwester genügt, diese nach dem Wohlbefinden zu fragen. "Nein, alles okay", erwidert die Altenpflegerin und freut sich über das gute Wort der schon lange allein lebenden Frau, während sie das Badewasser zum Waschen eingießt.

Schon lange ist die ältere Dame Witwe. "Gerade im städtischen Bereich vereinsamen viele Menschen in der Anonymität", berichtet Petra Rahn. Ihre Handgriffe sitzen, während sie die Dame ins Wasser gleiten lässt, ihr bei der Körperpflege hilft, sie danach wieder heraushebt, abtrocknet und die Kleider zurechtlegt. "Vielen Dank, kommen Sie morgen auch wieder?" – "Nein, morgen ist Manuela dran, die kennen Sie doch noch, oder?" – so laufen dann oft die Dialoge ab.

Pflegekräfte ärgern sich über schwarze Schafe

Rund 15 Pflegekräfte arbeiten derzeit in der Diakoniestation St. Peter, Kollegen werden ständig gesucht. An der Tür findet man den Aushang eines Stellenangebots. "Wir versuchen alles, um Leute zu gewinnen", erklärt Pflegedienstleiterin Doris Kolmetz. Das Image des Altenpflegers war noch nie besonders gut. "Das könnte ich nicht machen", ist der andere Satz, der vom Gegenüber meist kommt, wenn man sich als Pflegekraft outet.

Zudem sind es manche schwarze Schafe und die Berichte über Pflegebetrug, die den Job madig­ machen. "Da kriege auch ich eine richtige Wut", gibt Kolmetz zu. Ärgerlich sei, dass die zeitlichen Vorgaben, nach denen ambulante Pflegedienste abgerechnet werden, von den Gesundheitskassen nach den Verhältnissen im Heim getaktet wurden. Entsprechend müsse für die Besuche immer etwas mehr Puffer eingeplant werden.

Den konnte Petra Rahn auch sehr gut brauchen bei der Weiterfahrt durch die Nürnberger Innenstadt, bei der um die Nachmittagszeit wieder mal "nichts zu gehen" scheint auf den Straßen. Verstärkt hat sich Rahn nun mit der jungen Kollegin Marigona Fazlija, die derzeit eigentlich eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert, in deren Verlauf sie aber auch in den Bereich ambulante Pflege hineinschauen will. "Was es bedeutet, gesund zu sein, das wird einem in dem Beruf auf jeden Fall bewusst", ist sie überzeugt.

Petra Rahn wechselt Kompressionsstrümpfe.
Petra Rahn wechselt Kompressionsstrümpfe bei einem Patienten, der sich über den Besuch der Schwestern freut.

Weiter geht’s zu einem Patienten, der mit seinen 55 Jahren an Multipler Sklerose leidet und im Rollstuhl sitzt, aber seinen Humor noch lange nicht verloren hat. Vielleicht auch, weil seine Frau ihn am Wochenende versorgt und das Team von St. Peter nur tagsüber gebraucht wird oder wenn sie mal beruflich länger unterwegs ist.

"Na, da sind meine zwei Engel ja wieder, was machen wir heute?", scherzt er. "Na das Übliche, duschen", lachen Rahn und Fazlija zurück. Als sie ihm die Kompressionsstrümpfe ausziehen, schmerzt den Mann das sichtlich, aber er verkneift sich einen Aufschrei. "Ihr macht das gut, keine Sorge", beruhigt er die Pflegerinnen, die ihn vom Rollstuhl auf seinen Sitz in der Dusche hieven.

"Berührungsängste darf man als Pflegerin nicht haben, und ein paar Kilo heben sollte auch drin sein", erklärt Rahn. Marigona Fazlija nickt. Die 23-Jährige wollte schon immer mit Menschen arbeiten und dabei auch viel über den menschlichen Körper und über Arzneien lernen. "Da geht’s nicht immer nur ums Geld, es geht auch darum, im Beruf Erfüllung zu finden", sagt sie. Ob sie sich einmal für die ambulante Pflege anstelle des Krankenhauses entscheidet? Petra Rahn schaut sie hoffnungsvoll an. "Schauen wir mal."

Viele Patienten sind einsam

Die letzte Station unseres gemeinsamen Tages ist eine Wohnung im vierten Stock eines Mietshauses. Dort lebt ein älteres Ehepaar zusammen, die Frau leidet an einer Demenz, die sich in den vergangenen Monaten verstärkt hat. Fast 60 Jahre sind die beiden verheiratet, der Mann unterstützt sie nach Kräften. Die reichen aber nicht immer aus, weshalb täglich die Diakonieschwestern vorbeischauen. Die beiden erwachsenen Töchter leben schon längst nicht mehr in Nürnberg. An den Wänden die Bilder ihrer Familien mit den insgesamt fünf Enkelkindern, die ihre Großeltern nur wenige Male im Jahr sehen und deren Namen die demente Frau schon lange vergessen hat.

Vor wenigen Wochen hatte ihr Mann sich das Bein gebrochen, er musste das Krankenbett in der nahen Klinik hüten, sie ging solange zur Kurzzeitpflege in ein Heim. Gemeinsam den Alltag zu meistern, das wird immer schwieriger. "Lassen Sie Ihre Frau doch im Heim versorgen, Sie können das nicht mehr alleine schaffen", raten ihm die Schwestern wieder einmal. "Ich habe ihr aber versprochen: Du darfst zu Hause sterben", sagt er leise.

Menschlichkeit kommt vor Wirtschaftlichkeit

"Wir erleben leider oft, dass alte Menschen alleine aufeinander angewiesen sind und sich nicht trennen wollen oder können", berichtet Doris Kolmetz. Auch wenn die Pfleger sich eigentlich ihre Kunden abspenstig machen, wenn sie ihnen raten, einen stationären Heimplatz ins Auge zu fassen, überwiegt am Ende des Tages doch immer wieder die Menschlichkeit vor dem Blick auf die Wirtschaftlichkeit. "Konkurrenz haben wir ohnehin kaum. Jeder Pflegedienst hier wäre froh, genügend Personal zu haben, um die steigende Nachfrage zu decken", erklärt die Pflegedienstleiterin.

"Trotz aller Entbürokratisierung werden die Dokumentation, der Verwaltungsaufwand und die schriftliche Beweispflicht immer schwieriger. Dabei steht der Mensch schon lange nicht mehr im Vordergrund", meint Heinz Musick, Geschäftsführer des Diakonievereins St. Peter. Pflegedienste würden oft sehr viel mehr Leistungen erbringen, welche von keiner Kasse vergütet werden. "Aber die Leistungen werden trotzdem erbracht. Wir haben es schließlich mit Menschen zu tun."

Seelenpflege im Kollegengespräch

Für Petra Rahn und Marigona Fazlija ist dann bald Feierabend. Zumindest was die Besuche angeht. Noch etwa eine halbe Stunde verbringen die Frauen Zeit am Laptop und tippen ihren Tagesablauf in die Formulare ein. Danach gibt’s noch einen Kaffee mit den Kollegen im Gemeinschaftsraum. Man bereitet die Übergabe vor und erzählt sich vom Tag. "Das ist eine wichtige Zeit zum Abschluss des Arbeitstages", sagt Petra Rahn. So habe man Gelegenheit, auch manches heute gesehene Leid etwas zu verarbeiten. Auch nach über 15 Jahren habe sie zwar schon einiges erlebt, aber sei noch lange nicht abgestumpft.

Morgen geht’s wieder los, durch den Nürnberger Straßenverkehr, zu den bedürftigen Menschen. Auch wenn morgen Sonntag ist.

Ambulante Pflege

Ambulante Pflegedienste unterstützen Pflegebedürftige und deren Angehörige bei der Pflege zu Hause. Die ambulante Pflege ermöglicht Betroffenen, trotz Pflegebedürftigkeit in der vertrauten Umgebung zu bleiben. Das Leistungsspektrum der häuslichen Pflege umfasst vor allem folgende Angebote:

1. Häusliche Pflegehilfe als Sachleistung; dazu gehören körperbezogene Pflegemaßnahmen wie zum Beispiel Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und Lagerung.

2. Pflegerische Betreuungsmaßnahmen, wie zum Beispiel Unterstützungsleistungen zur Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens im häuslichen Umfeld.

3. Hilfen bei der Haushaltsführung, zum Beispiel Reinigen der Wohnung.

4. Beratung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen bei pflegerischen Fragestellungen, Unterstützung bei der Vermittlung von Hilfsdiensten wie Essensbelieferung oder Organisation von Fahrdiensten und Transporten.

Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, erbringt ein ambulanter Pflegedienst auch häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Zur häuslichen Krankenpflege gehören zum Beispiel Medikamentengabe, Verbandswechsel und Injektionen.