Der Münchner Paralympics-Star Anna Schaffelhuber (25) blickt mit gemischten Gefühlen auf die Winterspiele in Südkorea. "Wenn man es nur aus Medaillensicht sieht, kann ich nur verlieren", schmunzelt die junge Frau mit den blonden Haaren. Die seit ihrer frühen Kindheit querschnittsgelähmte Mono-Ski-Fahrerin hat bereits alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Bei den Paralympics 2014 war sie mit fünf Goldmedaillen die erfolgreichste Sportlerin der Welt. "Ich weiß, dass ich immer an Sotschi gemessen werde, aber ich weiß auch, dass ich noch nicht an meinem Limit bin." Seit ihrem Triumph in Russland hat Schaffelhuber viele öffentliche Auftritte und Ämter. Unter anderem ist sie Botschafterin für Ottobock, dem weltmarktführenden Orthopädie-Unternehmen im südniedersächsischen Duderstadt.

Die Firma beschäftigt rund 7.000 Menschen in mehr als 50 Ländern und ist seit 30 Jahren Partner der Paralympics. Ursprünglich wurde das Unternehmen 1919 vom Orthopädiemechaniker Otto Bock in Berlin gegründet, um möglichst vielen Kriegsversehrten aus dem Ersten Weltkrieg Prothesen zu liefern. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog der Unternehmenssitz unter der Leitung von Bocks Schwiegersohn Max Näder nach Duderstadt.

Schaffelhuber ist "ziemlich eingeschossen" auf Ottobock, verrät sie. Ihr Rollstuhl und Handbike aus Duderstadt seien einfach praktisch: sehr leicht und trotzdem stabil. "Ich benutze meinen Rollstuhl in einem extremen Maß auch für das Training, da muss ich mich drauf verlassen können."

"Ich bin noch nicht an meinem Limit"

Julian Napp (30) arbeitet als Orthopädie-Techniker bei Ottobock. Er fährt zum vierten Mal zu den Paralympics, die vom 9. bis 18. März stattfinden. Dort leitet Napp die rund 300 Quadratmeter große Ottobock-Werkstatt. 23 Techniker aus zehn Nationen reparieren vor Ort kostenfrei Rollstühle und Prothesen der Sportler. Schon im Dezember wurden dafür Fräs- und Nähmaschinen, Werkbänke und Werkzeug sowie Ersatzteile nach Südkorea verschifft - alles in allem rund zehn Tonnen Fracht.

Am meisten Arbeit gebe es direkt vor den Wettkämpfen, erzählt Napp. "Wir reparieren alles, was beim Flug kaputt gegangen ist." Bei Rollstühlen etwa breche leicht mal eine Speiche. Die Techniker werden aber auch während der Wettkämpfe gebraucht: "Gerade beim Sledge-Eishockey oder Mono-Ski geht viel kaputt", weiß Napp. Eigentlich sei kein Tag vorhersehbar. "Jede Reparatur ist individuell, da muss man kreativ sein." In Rio etwa kam ein Schiedsrichter mit seiner kaputten Brille in die Werkstatt. In Sotschi habe sich ein Sportler einen Rollstuhl leihen wollen, weil seine Prothese schmerzte. "Da haben ihm die Kollegen in anderthalb Tagen eine neue Prothese gebaut, weil er mit seiner eigenen nicht mehr hätte laufen können."

Als Ottobock-Botschafterin besucht Anna Schaffelhuber Firmen-Veranstaltungen und hält Vorträge für Mitarbeiter. Die Athletin ist für viele Menschen ein Vorbild. "Auch nicht-behinderte Menschen sagen oft, dass ich sie motiviere, Neues auszuprobieren", berichtet sie. Kein Wunder, denn sie sieht nicht die Einschränkungen im Leben, sondern die Lösungen: "Ich kann die meisten Dinge genauso machen, nur auf eine andere Weise: Ich fahre eben nicht Ski, sondern Mono-Ski."

Mit Skiern kam sie überall hin

Weil ihre zwei Brüder Ski liefen, wollte sie das mit fünf Jahren auch lernen, denkt Schaffelhuber zurück. "Sobald ich im Schnee und auf Skiern war, bin ich überall hingekommen." Mit 14 wird sie Mitglied im Rennkader des Deutschen Paralympic-Skiteams. Neue Herausforderungen nimmt sie gerne an: So überquerte sie in sechs Tagen per Handbike die Alpen und flog dabei zum ersten Mal Gleitschirm. Ihre unerschrockene und zupackende Art nennt sie "eine krasse Einstellungsgeschichte". "Ich hab das schon immer gehabt, meine Eltern und Geschwister haben mich sehr geprägt."

Julian Napp lässt sich vom Sportsgeist der paralympischen Athleten gern anstecken. Während seiner Arbeit bekomme er zwar nicht viel von den Wettkämpfen mit, trotzdem sei er "total im Sportfieber", lacht er. "Wir arbeiten eng mit den Athleten zusammen, viele kenne ich mittlerweile gut." Amputation und Prothesen seien intime Themen, das schaffe Nähe. Wenn er die Startzeit eines Sportlers kenne, denke er in diesem Moment an ihn. "Und fast alle kommen hinterher in die Werkstatt und erzählen, wie es gelaufen ist."