Das kleine Örtchen direkt am Nordufer des Chiemsees wirkt so klischee-bayerisch, wie man es sich nur vorstellen kann. Die Frühlingssonne strahlt aus weiß-blauem Himmel auf satte Wiesen. Hier, in der Nähe von Gstadt, wohnt Luis Sailer, der jüngste Biersommelier der Welt. Um über Bier zu sprechen, seine große Leidenschaft und für manchen die Seele der bayerischen Kultur, dafür hat er immer Zeit.

Gibt es so etwas wie ein universales Geschmacksrezept für gutes Bier? Nein, sagt Luis Sailer, dafür sei die Vielfalt zu groß. Ausgewogen solle ein Bier aber schon sein. Beim bayerischen Hellen heißt das:

"Die süßlichen Malznoten sollten mit dem bitteren Hopfen im Abgang harmonieren."

So ein Satz geht dem jugendlichen Fachmann ebenso leicht über die Lippen wie die vielen Biere, die er erst seit einigen Monaten offiziell trinken darf.

Wenn Luis Sailer zum Beispiel ein Münchner Augustiner untersucht, nennt er Geschmacksnoten, die man nie in einer so gewöhnlichen braunen Flasche vermutet hätte. "Grasig" und "floral" seien die Aromen, sagt er, das Bier schmecke nach Alpenkräutern und habe einen "erfrischenden Antrunk". Auch beim Bier ist die Sprache der Sommeliers ganz offensichtlich eine Wissenschaft für sich. Dass er das Münchner Augustiner mag, daran lässt der Chiemgauer keinen Zweifel: "Das trinke ich selbst gern."

Oberbayerisches Lob fürs fränkische Bier

Überhaupt: München sei zwar die bayerische Bierhauptstadt, doch in Franken schmecke es oft mindestens genauso gut, weiß Luis Sailer. "Das Bier von den Münchner Großbrauereien kommt nicht an einige kleine Brauereien in Franken heran. Trotzdem bin ich bei uns in der Region mit dem Bier schon richtig."

Das sagt er vielleicht auch deswegen, weil er aus jener Brauerfamilie kommt, der seit Generationen das Hofbräuhaus Traunstein gehört. Bier trinken durfte er dennoch erst, als er alt genug war: Nur dann und wann habe er mit Erlaubnis der Eltern "vielleicht mal am Schaum genippt". Jetzt, mit 16, hat er aber sofort die Ausbildung zum Biersommelier gemacht - zusammen mit seinem Vater.

Der Intensivkurs, der von einer privaten Akademie bei München angeboten wird, dauerte zwei Wochen und kostete rund 3.000 Euro. Bei der Ausbildung geht es nicht nur um das Universum der Biergeschmacksnoten, sondern auch um Brautechnik und -geschichte sowie die Arbeit in Gaststätten.

Luis Sailer darf sich jetzt offiziell "Biersommelier" nennen.

Zum Bierbrauen befähigt die Ausbildung aber nicht, erklärt Sailer. "Meine Aufgabe als Biersommelier ist es, das Bier zu verkosten. Man sollte wissen, was gut schmeckt, und auch einen Fehlgeschmack erkennen."

Luis Sailer kennt sich mit 16 beim Bier besser aus als viele Erwachsene, obwohl er es gerade einmal legal einkaufen darf. Doch ob Whisky, Wein oder Bier: Alkoholische Getränke sind Droge und Kulturgut zugleich. Rund vier Millionen Menschen in Deutschland sind alkoholabhängig, Alkoholkrankheit belastet die gesetzlichen Krankenversicherungen mit Kosten in Milliardenhöhe. Also: Wie ist das mit Saufspielen oder "Koma-Saufen" unter Jugendlichen?

Damit will Luis Sailer nichts zu tun haben. Bier solle man immer nur genießen. "Man kann sogar mal drei oder vier Bier trinken und es immer noch genießen." Entscheidend sei für ihn, "dass man das Produkt wertschätzt und darauf achtet, was das jeweilige Bier eigentlich ausmacht".

Mit Craft Beer in die Zukunft

Für die Zeit nach dem Abitur sieht sich Luis Sailer mit seinen Kenntnissen gut gerüstet. Besonders das sogenannte "Craft Beer" gewinnt immer mehr Freunde. Neue kleine Brauereien versuchen die häufig in der Tradition erstarrte Brau-Szene aufzubrechen und neu zu beleben. Mit exotischen Hopfensorten und verschiedensten Braustilen wird Bier zum Modegetränk. Diese Biere heißen dann auch nicht "Paulaner" oder "Huppendorfer". Mit englischen Namen wie "Roundhouse Kick" und "Black Angel" klingen sie eher wie Cocktails.

"Immer mehr Leute wollen die Ausbildung machen. Der Biersommelier ist ein Zukunftsthema", sagt Luis Sailer.

Gibt's für ihn eigentlich noch etwas anderes als Bier? Eine Menge, sagt der 16-Jährige. Er mache gern Sport und interessiere sich für Geschichte. Für Biergeschichte natürlich, und nach dem Sport freut er sich auf ein Weißbier. Irgendwie endet bei Luis Sailer dann doch immer alles beim Bier. Schließlich hat alles auch beim Bier angefangen: Getauft wurde der Biersommelier Luis Sailer auf dem Münchner Oktoberfest beim traditionellen Wiesngottesdienst. O'zapft is!