Alles begann 2013 mit einem Kennenlern-Spiel auf einem Kirchenvorsteher-Wochenende in Pappenheim, als Paul Rösch einfach nicht mehr mitmachen wollte. Das Hin-und-Her-Gerenne zu den Grüppchen, die zu den jeweiligen Fragen des Spielleiters passten, war für Rother Kirchenvorstand mit einer Gehbehinderung einfach nicht zu machen. Rösch "streikte". Der damalige Schwabacher Dekan Klaus Stiegler unterhielt sich anschließend zwei Stunden lang mit ihm über die vielen sachlichen wie emotionalen Hürden, denen Menschen wie er in der Kirche ausgesetzt sind.

Ausgerechnet das Thema "Diskriminierung" stand damals auf der Tagesordnung der Kirchenvorstehertagung. Heute kann Paul Rösch darüber lachen. Denn seit 2013 hat sich im Dekanat Schwabach aus mittlerweile 24 Gemeinden ein Netzwerk etabliert, das den Inklusionsgedanken im kirchlichen Raum umsetzen will. Und das mit Erfolg: Heute hat fast jede Kirchengemeinde des Dekanats einen eigenen Inklusionsbeauftragten und mit Paul Rösch selbst einen Sprecher in der Dekanatssynode.

Die Gemeinden wurden für viele Details sensibilisiert, an denen es für Menschen mit Handicap scheitern kann, am Gottesdienst und dem Gemeindeleben teilzunehmen: Unüberwindbare Treppen, fehlende Induktionsanlagen oder schwer lesbare Liedtafeln.

Wer die Ottilienkirche im Rother Ortsteil Pfaffenhofen besucht, der merkt nicht sofort, wie viel hier in den vergangenen Jahren für rund 50.000 Euro umgesetzt wurde. Natürlich fällt die breite Rampe auf, über die nicht nur Rollstuhlfahrer nun leichter in die Kirche kommen. Stefan Burmann, Inklusionsbeauftragter der Gemeinde, verweist auch auf die Kinderwagen.

Von seinem Rollstuhl aus erreicht Burmann jetzt die Ablage im Eingangsbereich, aus der man sich die Gesangbücher nehmen kann. "Die war bis vor wenigen Monaten noch viel zu hoch für mich", erklärt er. Mesnerin Ruth Burmann steckt derweil die Lieder für den nächsten Gottesdienst an. Schwarze Lettern auf schneeweißem Hintergrund. "Das bietet viel besseren Kontrast für die Gottesdienstbesucher in den Kirchenbänken", erklärt sie. Man müsse ja nicht gleich eine ernsthafte Sehschwäche haben. "Auch wer vermeintlich normal gut sieht, profitiert hiervon", meint die Mesnerin.

Seit einem Unfall in der Jugend ist Johannes Grillenberger aus Barthelmesaurach in seiner Bewegung eingeschränkt. Er hat in seiner Kirche die Anforderungen der Inklusion im Auge. In Pfaffenhofen fällt ihm das beidseitige Geländer auf, an dem sich der Kirchenbesucher beim Ein- und Ausgang festhalten kann. "Wenn solch eine Gelegenheit nicht vorhanden ist, meiden Menschen mit Beeinträchtigungen wie ich, einfach die Kirche. Und das kann es ja wohl nicht sein", sagt er.

Michael Reuther, Inklusionsbeauftragter seiner Gemeinde aus Rednitzhembach, weist auf das Symbol für die induktive Höranlage hin, das deutlich sichtbar im Chorraum angebracht ist.

Über diese werden Tonsignale, die beispielsweise über ein Mikrofon gesandt werden, über eine sogenannte Induktionsschleife von speziellen Hörgeräten empfangen und umgesetzt werden. Auch von Trägern eines Cochlea-Implantat, einer Hörprothese, wie Reuther sie hat. "Viele Kirchen besitzen bereits eine solche Anlage. Aber nur wenige kennen sich mit der Bedienung oder der Wartung aus". Reuther gibt anderen Gemeinden Tipps und Hilfe.

Im April 2015 hatten sich rund 80 Kirchenvorsteher aus allen 26 Gemeinden im Dekanat Schwabach zu einer "Inklusionssynode" getroffen, um die Mitglieder für die Belange von Menschen mit Handicap zu sensibilisieren. Nachdem man mit dem Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit der Rummelsberger Diakonie "capito" einen Kooperationsvertrag geschlossen hatte, wurden seit Februar 2016 sämtliche Kirchen im Dekanat mit Hilfe einer Checkliste evaluiert.

Nach dem Motto "Für zehn Prozent unverzichtbar, für 30 Prozent hilfreich, für 100 Prozent komfortabel" werden seither nicht nur die Kirchen, sondern sogar die Gemeindefeste auf Herz und Nieren überprüft. Darunter fallen Kriterien wie barrierefreie Parkplätze, ausreichende und blendfreie Beleuchtung, gute Akustik oder rollstuhlgerechte Sanitäranlagen. Gecheckt wurde mit Hilfe eines kleinen Katalogs im vergangenen Jahr bereits, ob die Wahlen zum Kirchenvorstand auch für jedermann zu bewältigen sind.

"Man kann mit Kleinigkeiten Großes bewirken. Es muss nicht immer gleich die Rampe sein", meint Paul Rösch.

Dass man jetzt den Ehrenamtspreis der Evangelischen Landeskirche erhält, ist für die Inklusionsbeauftragten nun das "i-Tüpfelchen" nach einer langen Reise, auf der viele Barrieren überwunden wurden. "Wir haben uns gegenseitig gestärkt", ist sich das Männerquintett einig. Eigentlich ging es immer nur um das eine: Nicht als behindert zu gelten, sondern einfach mit dabei zu sein.