Herr Stiegler, der Dienst- und Wohnsitz des Regionalbischofs in der Liskircherstraße muss renoviert werden. Wo werden Sie künftig wohnen?

Klaus Stiegler: Ich werde in eine Zwei-Zimmer-Wohnung im 5. Stock eines Hochhauses am Weinweg ziehen. Meine Frau und unser jüngster Sohn bleiben noch ein Jahr in Schwabach, bis dieser mit der Schule fertig ist.

Statt der Villa eine Mietwohnung: Ist das ein Statement?

Stiegler: Wir leben in kirchenpolitisch interessanten Zeiten: Die Kirchen werden kleiner, da wird auch die Frage relevant, was mit den mehr als 6000 Immobilien unserer Landeskirche geschehen soll. Durch den Personalwechsel an der Spitze des Kirchenkreises kann jetzt überlegt werden, was aus dieser Liegenschaft in der Liskircherstraße werden soll.

Ihr Einzug nach der Sanierung ist also offen?

Stiegler: Unser Wunsch ist es, dass wir in einem Jahr als Familie miteinander in Regensburg wohnen. Da wird die Liskircherstraße mit Sicherheit noch nicht restauriert sein. Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr im Sommer hier in Regensburg eine Bleibe haben werden, in die wir als Familie einziehen können.

Die ersten Begegnungen am neuen Dienstort gab es schon. Wie haben Sie sie erlebt?

Stiegler: Sie waren so, dass die Türen offen gestanden sind und mir eine gewisse Vorfreude signalisiert wurde. In mir wächst die Vorfreude auf meine neue Aufgabe Tag für Tag.

Regionalbischof Klaus Stiegler
Klaus Stiegler beim Sonntagsblatt-Redaktionsgespräch in Regensburg.

Sie sind ein Ausdauersportler und haben als Triathlet beim Challenge in Roth mitgemacht. Werden Sie das in Regensburg beibehalten?

Stiegler: Meine Wohnung ist in der Nähe vom Westbad, auch die Radwege sind ideal hier. Die Zeiten des Triathlon sind aber wohl vorbei. Ich habe sechsmal beim Langdistanz-Challenge in Roth in der Staffel "Kirche und Sport" mitgemacht. Da bin ich Rad gefahren. Was ich gerne mit meiner Frau mache, und das werden wir auch in Regensburg fortsetzen: Wir tanzen gerne. Wir sind seit Jahrzehnten in einem Tanzkreis.

Ist Sport Ihr notwendiger Ausgleich zum Alltag?

Stiegler: Wenn ich schwimme, entstehen manchmal auch Predigten oder Vorträge. Das ist für mich die Zeit, in Ruhe zu denken, sicher auch zu entspannen, dem Körper etwas Gutes zu tun. Das ist ein schönes Gefühl, wenn man sich eine Stunde lang bewegt hat.

Wie lange brauchen Sie, um eine Predigt zu formulieren?

Stiegler: Das ist schwierig in Stunden zu bemessen. Es ist jedenfalls kein Produkt, das nur am Schreibtisch entsteht. Ich nehme die Bibelstelle, über die am Sonntag gepredigt werden soll, und bewege den Text in mir die Woche über. Ich erlebe Dinge in der Zeit, habe Begegnungen mit Menschen, lese etwas dazu. Der Predigttext begleitet mich unter der Woche durchs Leben.

Die Predigt entsteht in mir, wächst, gärt und reift.

Die Prognosen für die Kirchen sehen laut Freiburger Studie düster aus. Wie wollen Sie darauf reagieren?

Stiegler: Wir erleben heute schon, dass wir eine kleiner werdende Kirche sind, wir sind mittendrin in dem Prozess. Wenn Menschen die Qualität kirchlicher Arbeit erleben, im Gottesdienst, in Kindertagesstätten, im Religionsunterricht, in der Seelsorge in Krankenhäusern und Gefängnissen, bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen, dann ist schon sehr viel getan. Wir zeigen, dass wir uns nicht in eine Nische der Gesellschaft zurückziehen, sondern dass wir mit zu den Playern der Zivilgesellschaft gehören, die sich um das Leben in dieser Gesellschaft sorgen und mühen. Wir sind ein Teil der Gesellschaft und sollten auch politisch am Diskurs teilnehmen und uns mit unseren Anliegen einbringen. Wir müssen Signale setzen, auch die kritischen.

Für manche Menschen spielt Kirche aber gar keine Rolle mehr.

Stiegler: Das ist Teil der Realität. Aber wir sollten uns auch nicht mehr schlechtreden, als wir sind. Wir sollten da anknüpfen, wo wir Relevanz besitzen, sodass es ins reale Leben hinausstrahlt. Die Zauberworte für die Zukunft unserer Kirche kenne ich auch nicht, aber sich in der Grundhaltung des Evangeliums den Menschen und dem Leben zu stellen, den Menschen einen einfachen Zugang zur Liebe Gottes eröffnen, das ist für mich noch immer verheißungsvoll.

Regionalbischof Klaus Stiegler

In Ostbayern spielt die evangelische Kirche oft nur die zweite Geige, wie werden Sie damit umgehen?

Stiegler: Die Größe allein ist am Ende auch nicht alles. Ich denke, wir sollten mit Freude unser Christsein leben und eine ökumenische Offenheit in die Gesellschaft einbringen. Ich wünsche mir das, und ich bin auch bereit, etwas dafür zu tun. Natürlich hat der größere Partner mehr Chancen, die Dinge zu gestalten, aber ich habe auch gewisses Zutrauen zur römisch-katholischen Kirche.

Haben Sie Bischof Voderholzer schon kennengelernt?

Stiegler: Noch nicht persönlich, aber er wird der Erste sein, den ich besuchen werde. Der Termin in der ersten Augusthälfte steht schon.

Wie geht es Ihnen mit Ihrer neuen Rolle als Regionalbischof?

Stiegler: Das ist gewöhnungsbedürftig, aber emotional positiv besetzt. Es gehört Mut, aber auch Demut dazu.

Der Regionalbischof ist nach evangelischem Verständnis ein Pfarrer mit besonderen Aufgaben; als solcher verstehe ich mich.

Wie groß ist Ihr Mut, wenn Kirchen aus finanziellen Gründen geschlossen werden müssen?

Stiegler: Ausschließen will ich so etwas nicht. Das sind notwendige Konsequenzen, Kirche im 21. Jahrhundert zu gestalten. Wir sind nicht mehr im Wachsen, es geht darum, die kleiner werdende Kirche mit Mut und nicht mit Verdrossenheit zu gestalten. Da ist vielleicht auch einmal ein Rückbau an der einen oder anderen Stelle notwendig.

Wie wollen Sie junge Pfarrerinnen und Pfarrer motivieren nach Ostbayern zu kommen?

Stiegler: Ich möchte dafür arbeiten, dass dieser Kirchenkreis geprägt ist von Kooperation, Kommunikation und Kollegialität, damit wir in einem guten Stil zusammenwirken können, dass wir das Miteinander entdecken und ausbauen. Meine Hoffnung ist, dass wir in einem motivierenden Klima gerne zusammenarbeiten, mit Respekt vor den verschiedenen Kompetenzen der kirchlichen Berufsgruppen.

Welches Verhältnis braucht die Kirche zu den Medien?

Stiegler: Ein enges und vertrauensvolles Verhältnis der kurzen Wege. Medien sind Teil der Zivilgesellschaft und haben eine wichtige Rolle in ihr. Sie sind nicht nur Sprachrohr, sondern durchaus mit einem kritischen Blick auf uns als Kirche. Auch zum Wohl des Lebens in unserer Gesellschaft, da haben die Medien eine ganz eigenständige und wichtige Rolle.

Es heißt, Sie stammen aus einer Metzgerei?

Stiegler: Das ist nur zum Teil richtig. Meinem Vater wurde nach dem Krieg von seinen Eltern gesagt, er möge sich einen Beruf suchen, bei dem er am Abend satt heimkommt. Da stand Metzger oder Bäcker zur Auswahl. Er hat sich für den Metzger entschieden, aber eine Metzgerei hat er nie geführt. Er war am Ende Arbeiter in einer Lebensmittelfabrik und hat sich zum Schichtführer hochgearbeitet.

Wie hat Sie das geprägt?

Stiegler: Ich hatte ab meinem 16. Lebensjahr Ferienjobs. Als Student habe ich Bier ausgefahren, ich war in einer Ziegelei, ich war bei Siemens im Lager und als Postbote unterwegs. Durch diese Ferienjobs war meine eigentliche Berufsidee: Ich möchte mich einmal für gute Arbeitsverhältnisse einsetzen, damit für Menschen, die in der Produktion arbeiten, gut gesorgt ist. Darum habe ich auch zunächst Sozialwissenschaften studiert, dann ist aber Theologie daraus geworden. Da fühle ich mich jetzt richtig am Platz.

Wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Stiegler: Ich bin ein offener Mensch und bringe Interesse für andere Menschen und deren Lebensgeschichte mit. Ich kann gut zuhören, das spiegelt das Interesse an den Menschen.

Ich möchte verstehen, was sie bewegt.

Zweifeln Sie manchmal am Glauben?

Stiegler: Wenn ich ganz schreckliche Dinge erlebe, frage ich mich manchmal, warum das geschieht. Glaube ist für mich nicht, dass es einem permanent gut geht, sondern das tiefe Vertrauen, dass ich in meinem Leben gehalten bin, egal, was dieses Leben mir bringt oder abverlangt. An diesem Grundvertrauen zu Gott, daran zweifele ich nie: gehalten sein von Gott, mit allem, was da kommt.

INFO

Klaus Stiegler (55) wuchs in Großgründlach bei Nürnberg auf. Weil er sich zunächst für ein Studium der Sozialwissenschaften entschied, war er nicht wie andere Theologen vom Wehrdienst befreit. Diesen absolvierte er Anfang der 1980er-Jahre als Sanitäter in Regensburg. Als Pfarrer war er in Gersthofen bei Augsburg und in Forchheim eingesetzt. 2004 wurde er Dekan in Schwabach. Stiegler ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter von 28, 27 und 17 Jahren. Seine Frau Doris ist Krankenschwester und in der Palliativpflege tätig.