Mit dem Renteneintritt zum alten Eisen zu gehören - das war für Konrad Braun nicht vorstellbar. Als Nürnberger Werksleiter einer Logistikfirma kam der heute 70-Jährige früher schon mal auf 60 Wochenstunden und mehr. Um am Ende der Berufstätigkeit nicht in ein Loch zu fallen, zog er auch ehrenamtliche Engagements in Betracht. Für ihn ist klar: "So viel Menschen brauchen Hilfe."

Als er gefragt wird, ob er Auszubildenden mit Schwierigkeiten bei der Lehre helfen will, sagt er zu. 2018 wird er Regionalkoordinator für den bundesweiten Verein Senior Experten Service (SES) in Mittelfranken, um das Projekt Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen (VerA) voranzubringen. "Das Engagement macht Freude und Spaß."

Das Ausbildungsthema habe ihm bereits zu seiner aktiven Berufszeit am Herzen gelegen, erzählt Braun. Als Chef habe er immer auf die Benimmregeln der Nachwuchskräfte Wert gelegt. Heute begegnet er den Jugendlichen gelassener und mit mehr Verständnis: "Die Lehrlinge sind anders, aber nicht schlechter."

Er hat auch selbst beispielsweise einen angehenden Fachlageristen begleitet. Bei dem hätte es an Zuverlässigkeit gefehlt, außerdem habe er Schwierigkeiten beim Lernen gehabt. Braun hat festgestellt, dass man solche abbruchgefährdeten Lehrlinge "anders führen" und vor allem Zeit investieren muss.

An der Bedeutung seiner Aufgabe hat er keinen Zweifel. Da sieht er sich als eine "Art Chancengeber". Immerhin bricht im Durchschnitt jeder vierte Jugendliche seine Ausbildung vorzeitig ab, oft schon im ersten Lehrjahr. Bei manchen Berufen, beispielsweise bei Bürokaufleuten, läuft es besser. So haben etwa Lehrlinge in den Pflegeberufen gerade in der Altenpflege eine deutlich höhere Abbrecherquote. Bis zur Hälfte aller Ausbildungen enden vor der Abschlussprüfung.

Braun koordiniert in ganz Mittelfranken die Anfragen auf Unterstützung, wenn es in der Lehre kriselt. Allein im letzten Jahr haben ihn rund 360 Gesuche erreicht. 80 bis 90 Prozent kommen von den Auszubildenden selbst. Es braucht also weitere ehrenamtliche Ausbildungsbegleiter, die mit ihrem Praxis-Knowhow weiterhelfen können.

Dazu zählt die 65-jährige Christine Limbacher aus Nürnberg, die vor fünf Jahren aus einer pädagogischen Leiterposition in den Ruhestand gewechselt ist. Sie ist bereits im Pflege- und Heimbereich engagiert, wollte aber noch mehr tun. "Das Thema Pflege treibt mich um", sagt sie. Ihren ersten Azubis hat sie bereits erfolgreich durch die Prüfung zum Ende der Probezeit gebracht. "Er macht weiter", freut sie sich.

Der 40-jährige Brasilianer, der umschulen wollte, hatte nicht die besten Voraussetzungen. Es gab sprachliche Probleme und Limbachers Zögling konnte nur auswendig lernen. Also hilft sie beim "Lernen lernen" und trifft sich mit ihm regelmäßig in der Stadtbibliothek. Zusätzlich kommunizieren die beiden über einen Social Media-Dienst, der Brasilianer fotografiert im Unterricht das Tafelbild und hängt auch seine Notizen dazu dran.

Auch die Ärztin Helgard Herrmann ist seit diesem Jahr bei SES dabei. Der Ruhestand "steht kurz bevor", ihr berufliches Ausscheiden hat die 63-jährige Großmutter "planmäßig vorbereitet". Sie ist Schöffin bei Gericht und beschäftigt sich mit ihren Enkeln und ihrem Hund: "Mir wird nicht langweilig." Sie hat einen Studienabbrecher aus Aserbaidschan als Ausbildungsbegleiterin unterstützt. Der war "motiviert und intelligent, war aber persönlich noch nicht in Nürnberg richtig angekommen", erzählt sie.

Herrmann versucht, mit ihm über die Schwierigkeiten zu sprechen. Sie kann ihm mit ihrem fachlichen Know-how helfen. Der Pflege-Azubi zieht auf ihren Vorschlag in eine Wohngemeinschaft mit Kollegen. Ob der junge Mann tatsächlich abgebrochen hätte, kann sie nicht sicher sagen. Aber mit ihrer Hilfe ist sie zufrieden, "das war sinnvoll und bereichernd".