Mit Werten wie Fairness, Respekt und Solidarität sind christliche Fanclubs ein wichtiger Bestandteil der Fanszene, sagt Harald Lange, Professor für Sportwissenschaften und Leiter des Instituts für Fankultur Würzburg und Frankfurt am Main. Mit sonntagsblatt.de spricht er außerdem über das peinliche Schweigen zum Rassismus im Fußball - und geht hart mit dem DFB ins Gericht.

Christliche Fanclubs haben in deutschen Stadien mittlerweile ihren festen Platz. Wie kommt das?

Harald Lange: Der Fußball ist in den vergangenen Jahren immer mehr vom Rand der Gesellschaft in die Mitte gerückt. In den Fanclubs sind heute sämtliche gesellschaftliche Gruppen vertreten. Es ist also völlig normal, dass sich auch Christen als Fans zeigen.

Welche Rolle spielen sie innerhalb der Fanszene?

Lange: Mit ihren Werten wie Fairness, Respekt und Solidarität sind sie ein wichtiger Bestandteil der Fanszene - besonders im Profifußball, wo ja diese Werte oft mit Füßen getreten werden. Nicht zuletzt hat die Özil-Debatte offenbart, dass wir nichts Dringenderes im Fußball brauchen als Werte, die mit Leben gefüllt werden müssen.

Der DFB betont vielerorts sein Engagement gegen Rassismus ...

Lange: Im Profifußball sind das alles Platzhalter, leere Hülsen. Aber der DFB hat keinerlei Konzepte, wie er seine Werte in die Tat umsetzen will. Sie sind weder verankert noch werden sie gelebt. Stattdessen geht es nur noch um Wirtschaft und viel Geld.

Was müsste passieren?

Lange: Einiges. Das beginnt schon damit, dass die Spieler der Nationalmannschaft an ihren freien Turniertagen an der Playstation sitzen, statt vor die Tür zu gehen und Menschen zu treffen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, am Leben teilzunehmen. Werte müssen gelebt werden - in der Gruppe, in der Mannschaft. Aber natürlich muss auch einiges in den Vereinen passieren.

Vertrauen, Versprechen und Solidarität müssen stärker in den Fokus rücken. Und wenn es um multikulturelles Zusammenleben geht, muss dringend in den Vereinen geklärt werden, wo genau es Rassismus gibt und warum. Da kommt vom DFB leider nur peinliches Schweigen, während von den Fans Fairness und Respekt auf den Rängen erwartet wird.

Wie können die christlichen Fans zum Beispiel auf Fairness Einfluss nehmen?

Lange: Konflikte in der Fan-Szene regulieren sich in der Regel von selbst - und das nicht belehrend, sondern atmosphärisch. Das eine Mal durch Sanktionieren, das andere Mal durch Ausbuhen. Die Vorbildwirkung der christlichen Fans ist hierbei keinesfalls zu unterschätzen.

Christliche Fußball-Fanclubs

In Deutschland gibt es zahlreiche christliche Fußball-Fanclubs und -initiativen, die sich gegen Hass und Gewalt im Sport aussprechen. Viele haben sich unter dem Dach der "Totalen Offensive" zusammengeschlossen. Die meisten ihrer Mitglieder, die allesamt den christlichen Fisch als Erkennungszeichen auf ihren Schals tragen, drücken Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga die Daumen. Sie engagieren sich auch sozial-diakonisch, gegen Gewalt und Intoleranz und für ein suchtfreies Leben.

Neben den Clubs der "Totalen Offensive" gibt es zum Beispiel die "Tora et labora" (frei übersetzt "Schieße Tore und arbeite"), die nach eigenen Angaben "frömmsten Fans" aus Köln. Auf Schalke nennen sie sich "Mit Gott auf Schalke" in Hannover heißt der Fanclub "These 96" und in Leipzig "Holy Bulls".

Mit ihren Werten wie Fairness, Respekt und Solidarität seien die christlichen Fußballanhänger ein wichtiger Bestandteil der Fanszene, urteilt Fanforscher und Sportwissenschaftler Harald Lange. Untereinander pflegen die christlichen Fangruppierungen nach eigenen Angaben regelmäßigen und freundschaftlichen Kontakt.

Und wie sieht es in Fußball-Bayern aus?

Seit 2010 gibt es auch beim Nürnberger "Club" einen offiziellen Fanclub, der zur "Totalen Offensive" gehört. Der 1. FCN ist damit der einzige bayerische Club im Netzwerk. Auf dem Fanclub-Foto halten fünf erwachsene Clubberer und zwei Zwerglein vor dem Stadion sympathisch eine Fischfahne mit 1.-FCN-Logo hoch. Mit dem Motto "Unser Ziel ist es ein Zeichen zu setzen für ein begeisterndes Leben ohne Gewalt und Süchte– gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit innerhalb und außerhalb des Stadiums" laden sie zum Hauskreis ein.

Immerhin seit Mai 2006 hat Deutschlands Fußball-Branchenprimus, der FC Bayern München, einen schwul-lesbischen Fanclub: An Aktivität in der harten Fan-Szene lässt es "Queerpass Bayern" nicht fehlen. Seine Mitglieder stehen in der Südkurve in den Blocks 112 und 113, also dort, wo die Ultras stehen, Dutzende schwuler und lesbischer Fans marschierten mit FC-Bayern-Fahnen Mitte Juli auf dem jüngsten Christopher-Street-Day in München mit.

Christen dürften zwar vermutlich in den - Stand 1. August 2018 – weltweit 4409 Bayern-Fanclubs mit ihren 349.156 Mitgliedern durchaus zu finden sein, aber keiner der Bayern-Fanclubs hat ein ausdrücklich christliches Profil. Am nächsten kommt der Sache vermutlich der FC-Bayern-Fanclub "The Holy Bloods". Seine Fans kommen aber lediglich aus einem katholischen Bayerwald-Wallfahrtsort, der Neukirchen beim Heiligen Blut heißt.

Papst Franziskus ist Ehrenmitglied bei den Münchner Löwen, aber dagegen konnte er sich nicht wehren: Der damalige Verwaltungsrats-Präsident Siegfried Schneider drückte dem Heiligen Vater die Urkunde bei einer Generalaudienz 2015 auf dem Petersplatz in die Hand. Geholfen hat es (ein) wenig: Der TSV blieb nach einer erfolgreichen Relegation damals in der 2. Bundesliga. 2017 kamen dann aber die Pleite und der Absturz in die 4. Liga.