Bei der Preisverleihung wolle sie auf keinen Fall allein auf der Bühne stehen, sagt die Stifterin Ise Bosch. Denn sie arbeite viel im Team, das mache Sachen besser. Am Mittwoch erhält die 53-Jährige den Deutschen Stifterpreis beim Kongress des Bundesverband Deutscher Stiftungen in Nürnberg. Die Enkelin des Konzerngründers Robert Bosch bittet zum Interview über ihre wohltätige Arbeit Claudia Bollwinkel dazu. Die Co-Autorin ihres neuen Buches sitzt in der Geschäftsführung der Stiftung "Filia. Die Frauenstiftung", die Ise Bosch mitgegründet hat. Bosch hat zudem die Gesellschaft Dreilinden ins Leben gerufen, die sich für die Rechte lesbischer, schwuler, bisexuelle, transsexueller und intergeschlechtlicher Menschen einsetzt.

epd: Frau Bosch, Sie nennen sich eine Philanthropin und werden jetzt auch als Philanthropin geehrt, kurz übersetzt ist das eine Menschenfreundin. Aber würde ich auf der Straße Menschen fragen, was das ist, wüssten das sieben von acht Personen nicht. Müssen Sie selbst Philanthropie oft erklären?

Ise Bosch: In der Fachwelt ist das nicht so häufig nötig, dort hat sich der Begriff inzwischen etwas mehr etabliert. Aber ich hätte gerne ein gebräuchlicheres Wort für das, was ich tue. Ich nenne mich daher häufig auf englisch "donor activist", also eine politisch Engagierte, die ihr Geld für das einsetzt, von dem sie überzeugt ist.

epd: Aus innerster Überzeugung - heißt das, so sind sie erzogen oder das ist Ihnen ein ureigenstes Bedürfnis?

Bosch: Die Erziehung war gar nicht so bewusst: Es wurde in der Familie vorgelebt. Mein Großvater Robert Bosch hat damit angefangen, meine Eltern haben beide ihre Zeit mit gemeinnützigen Tätigkeiten verbracht. Der Unterschied bei mir: Ich habe mir sehr viel in den USA abgeguckt, einem Land ohne Sozialstaat, in dem aus problematischen Gründen die Philanthropie eine größere Rolle spielt. Dort kämpfen progressive reiche junge Leute für soziale Veränderung, für Gerechtigkeit, für "social change". Und die Inhalte sind gegenüber früheren Generationen anders geworden. Wir setzten uns früh für feministische und lesbisches Gruppen ein.

epd: Kann eine Stifterin mit den Unterstützten auf Augenhöhe sein?

Bosch: Bitte Claudia, sag du dazu etwas, das können Außenstehende besser beurteilen.

Claudia Bollwinkel: Ich vergebe seit 15 Jahren Gelder für die Stiftung "Filia" und habe die Erfahrung gemacht, Geld verleiht Macht - das ist ganz klar. Zwischen dem, der gibt und dem, der empfängt, ist per se ein Machtgefälle. Man kann das nicht ganz auflösen. Aber man kann sich auf einem gemeinsamen Boden der Werte und Ziele treffen. Am gleichen Ziel zu arbeiten, kann eine Brücke bauen, die diese Machtverhältnisse nicht so stark spürbar macht. Es ist zentral, den Leuten zuzuhören, die man unterstützen möchte und einen echten Respekt für die Expertise der Geförderten zu haben, denn die sind ja in ihren Situationen, die brauchen niemanden, der ihnen sagt, wie sie es machen sollen. Ise hat mal gesagt, es wäre ein "Backseat Approach", man sitzt also nicht auf dem Fahrersitz, sondern ist auf dem Rücksitz. Man steht den Geförderten im Rücken und zwar möglichst bedingungslos.

epd: Schauen Sie sich den gemeinsamen Boden der Projekte auch im realen Leben an. Fahren Sie zu den Gruppen, die sie unterstützen?

Bosch: Ich habe Freundschaften, auch intensive Beziehungen zu Leuten, die Anträge für Projekte stellen, das frischt mich auf und ohne das geht es nicht. Ich versuche diesen Boden kennenzulernen und im besten Falle habe ich ein Schulter-an-Schulter-Gefühl mit den Geförderten. Weil ich das heute in dem Maße nicht machen kann, wie ich fördere, tue ich das exemplarisch. Inzwischen gebe ich sehr viel Geld über andere, habe sozusagen das Stiften outgesourct. Die Astraea Lesbian Foundation For Justice in New York hat ein sehr internationales Team und eine internationale Perspektive. Sie vergibt Gelder weltweit und hat das Verständnis, Teil der Bewegung zu sein, die sie selbst fördert.

epd: Welches Projekt ist Ihnen Ihre größte Herzensangelegenheit?

Bosch: "Filia. Die Frauenstiftung" ist mir sehr nah. Die Stiftung habe ich mitgegründet und bin von Anfang an in Vorstandsfunktionen gewesen, heute im Auswahlprozess. Das Besondere an Filia finde ich, dass wir einen Mädchenbeirat geschaffen haben. Das ist der erste Mädchenbeirat einer deutschen Stiftung. Junge Frauen zwischen 14 und 21 Jahren haben eine Stimme im Auswahlprozess, weil nicht die älteren Frauen über die jüngeren hinweg entscheiden sollen, was denen gerade wichtig ist.

epd: Wie finden Stifterinnen und die geförderten Projekte zu einander?

Bollwinkel: Wir bei Filia gehen proaktiv auf unsere Zielgruppen zu, wir schreiben E-Mails, führen Telefonate, recherchieren, wer die Ansprechpartner sind. Denn es ist in der Tat nicht so einfach, an marginalisierte Gruppen ranzukommen, zum Beispiel Gruppen, die etwas für Mädchen mit Behinderung machen. Da stecken wir viel Energie hinein, sie zu erreichen.

epd: Suchen Sie diese Gruppen weltweit oder auch im reichen Sozialstaat Deutschland?

Bollwinkel: Der Mädchenrat fördert Projekte in Deutschland für mehrfach benachteiligte Mädchen. Es gibt viele Studien darüber, dass Mädchen aus marginalisierten Gruppen, mit Migrationshintergrund, lesbisch oder schwarz oder mit Behinderung sehr stark benachteiligt sind, sehr viel weniger Chancen haben und daran ändert der Sozialstaat auch nichts. Wir setzen auf ein Empowerment dieser Zielgruppen, damit sie ihre eigenen Ziele voranbringen.