Herr Jonas, man könnte nach dem Lesen Ihres Buches meinen, Sie seien ein Atheist. Wie sehen Sie sich?

Bruno Jonas: Ich bin kein Atheist. Wäre ich einer, könnte ich beweisen, dass es Gott nicht gibt. Das funktioniert ebenso wenig wie die Gegenthese. Ich bin von meinem ganzen Wesen her ein skeptischer Niederbayer mit stark agnostischen Einschlägen. Aber a bissel was ist ja dann doch immer. Ich bin sehr katholisch aufgewachsen, oder wie ich immer sag, zugerichtet worden, und soviel ich weiß, sagt die katholische Theologie, die Barmherzigkeit sei bei dem über alles liebenden Gott so groß, dass er am Ende alle Menschen, Gläubige und Ungläubige, sogar Atheisten lieb hat. Und Protestanten sowieso.

Ihre "Gebrauchsanweisung" ist doch eine Mogelpackung. Nach der Lektüre ist man zwar schlauer als vorher, aber was Genaues weiß man nicht. Oder ist der Buchtitel doch ironisch gemeint?

Jonas: Nein. Ich hab aber nichts dagegen, wenn ihn jemand ironisch liest, zumal ich eh immer an der Ironisierung des Abendlandes arbeite. Das Jenseits ist für mich kein rein religiöses Gebiet. Es gibt eine breite Palette von "Jenseitsen". Für mich ist die Physik, die Chemie, die Biologie, die Mathematik, die romantische Liebe, die sogenannte Wirklichkeit insgesamt ein Bereich, wo es in ein Jenseits hinübergeht. Hinter jeder wissenschaftlichen Erkenntnis lauert der Glaube. Und weil Sie von der Mogelpackung sprechen: Das Feedback aus dem Jenseits ist eher schwach.

Männern sagt man nach, Gebrauchsanweisungen zu ignorieren. Sie haben eine verfasst. Wieso?

Jonas: Die Idee hatte ich schon vor vielen Jahren. Konkret wurde sie um meinen 60. Geburtstag herum, als ich die Todesanzeigen in der Zeitung studiert und nachgerechnet habe, wie alt die Leute geworden sind. Ich habe begonnen, über mein Finale nachzudenken. Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste. Als ich mich dann allmählich darangemacht habe, das Buch zu schreiben, hab ich angefangen, mich in die Jenseitsliteratur einzulesen. Dabei wurde mir klar, dass es weg geht vom satirisch-kabarettistischen Ansatz hin zu einer eher heiter-philosophischen Perspektive.

Hat Ihnen die Beschäftigung mit dem Jenseits ein bisschen Lust auf die christliche Kirche gemacht?

Jonas: Lust auf christliche Kirche? – I woaß ned! Ist man katholisch getauft, bleibt man auf ewig ein Katholik, selbst wenn man wie ich aus der Kirche ausgetreten ist. In meiner Kindheit wurde die Seele katholisch formatiert, seitdem läuft diese Software. Schreibgeschützt! Man kann da rational dagegenhalten, aber emotionale Vorgänge sind nun mal seelisch gesteuert.

Konkret: Die Tausende von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche haben mich von dieser Kirche weit entfernt. Und wenn es eine Gerechtigkeit gibt im Jenseits, schaut’s für diese Missbrauchspriester und auch diejenigen, die sie gedeckt haben, nicht gut aus.

Eben hat sich eine neue bayerische Staatsregierung gebildet, erstmals mit den Freien Wählern. Braucht’s die göttlichen Eingaben des "Münchners im Himmel" Aloisius ab sofort dringender denn je, oder reicht der Aiwanger?

Jonas: Nun ja, der katholische Engel Aloisius sollte die göttlichen Weisheiten der bayerischen Staatsregierung überbringen. Wie man weiß, wartet sie bis heute darauf. Mit Markus Söder steht nun ein Protestant an der Spitze des Freistaats. Ich weiß nicht, welche Zugänge Protestanten zu göttlichen Weisheiten haben.

Ich hoffe aber schon, dass der Markus gute Kontakte nach oben hat und den einen oder anderen Rat auch annehmen kann. Auf jeden Fall wird es spannend, wie der evangelische Ministerpräsident künftig weitgehend katholische Gebiete beseelt. Er ist ja nach Günther Beckstein erst der Zweite auf diesem Posten. Beckstein wirkte im Übrigen immer wie der oberste Sachgebietsleiter Bayerns, war aber wohl in der Sachpolitik einer der Besten in diesem Amt.

Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm kriegt bei Ihnen sein Fett weg. Warum?

Jonas: Das Jenseits-Interview, das er um Ostern herum dem Spiegel gegeben hat, reizte mich, ihm etwas auf den Zahn zu fühlen. Ich konnte nicht anders und musste widersprechen. Ich nehme an, der Mann hat Humor und hält das aus.

An einer Stelle schreiben Sie, Kinder in die Welt zu setzen sei die einzige Möglichkeit, sich unsterblich zu machen. Darf das als Aufforderung verstanden werden?

Jonas: Da hab ich natürlich nichts dagegen. Es ist ja medizinisch erwiesen, dass bei der Zeugung eines Kindes, wenn Samen- und Eizelle verschmelzen, die Gendateien der Eltern kopiert und neu kombiniert werden. Ein neuer Mensch entsteht, indem die Gene der Eltern in einer neuen Konstellation für die nächste Generation gesichert werden. Man könnte Kinder also als lebende Festplatten begreifen, in denen die Eltern weiterleben. Wenn man sich überlegt, wie weit das in der Zeit zurückgreift, ist das doch ein faszinierender Gedanke.

Zum Ende hin sprechen Sie vom "Göttlichen Muss", dass also da noch was sein muss. Ist das letztlich also die Lösung, die Gewissheit, dass nach dem Tod nicht Schluss ist?

Jonas: Ganz so einfach sollten wir es uns nicht machen. Zunächst wird der Vorhang zugezogen. Vielleicht geht’s hinter der Bühne weiter? – Es könnte schon noch etwas sein, aber es könnt auch nix sein. Es gibt Erkenntnisse und Gewissheiten. Wissenschaftlich belegbare Erkenntnisse für ein ewiges Leben haben wir nicht. Gläubige Gewissheiten dagegen haben wir viele. Das göttliche Muss hängt vom Glauben ab. Für Glaubende ist Gott ein Muss. In Niederbayern sagt man: Nix G’wieß woaß ma ned. Schau ma moi, na seng ma’s scho! – Und des is g’wieß.